Was macht Der da? Eine Frage, die ich mir voller Faszination stellte, als ich das erstemal Arbeiten von dir sah.

Das frage ich mich manchmal durchaus auch. Ich bewege mich da schon eher in einer Grauzone, wo sich bestimmte Dynamiken entwickeln. Man hat oft eine Vorstellung, wie etwas sein könnte, dann macht man Skizzen, probiert aus und entdeckt schließlich, dass das Material doch eine sehr sinnliche Eigendynamik hat.

Wie gefundene Pappen?

Ja, nach dem Studium an der Akademie hatte ich mir Pappen grundiert, um darauf zu malen. Das war wesentlich billiger als Leinwände aufzuspannen oder kleine Holzbretter zu sägen, es ging schneller und ich hatte weniger Hemmungen loszulegen. Als ich diese angestrichen hatte, haben sie mir so gut gefallen, dass ich mir nicht mehr vorstellen konnte, noch etwas darauf zu malen. Dann habe ich angefangen, den Farbton der Pappen genau nachzumischen und sie damit anzumalen.

Der gefundene Bildträger bestimmt das Bild? So etwas wie eine willkommene „Fremdbestimmung“?

Fremdbestimmen würde ich nicht unbedingt sagen. Leiten lassen insofern, als dass mich die Oberflächen ansprechen und mir als Motiv für Malerei dienen. Was mich an der Vorgabe immer wieder interessiert ist, dass das direkte Malen auf die Oberfläche erstaunlich einfach und gleichzeitig hoch komplex ist. Ich ersetze eine farbige Oberfläche mit farbigem Material, indem ich sie gleichzeitig übermale, verberge und abbilde. In manchen Fällen ist es wie Malen nach Zahlen. Eigentlich sind die Arbeiten Coverversionen der jeweiligen Oberflächen.

Darf ich mir das als sehr kontemplativen Vorgang vorstellen? Das Malen an Oberflächen entlang?

Ja, manche Arbeiten sind mir am liebsten, wenn das Malen von allen Denkprozessen abgekoppelt ist: ein dummes Malen wie nach Zahlen und ein Ausmalen mit großer Lust. In den Pausen der Betrachtung schiebt sich dann die theoretische Seite ein, während der Malvorgang an sich eine Eigendynamik des sich Abarbeitens, eines fast Sisyphos-ähnlichen Tuns, ja des Selbstquälerischen entwickelt.

Ich meinte meinen Einwand gar nicht despektierlich. Im Gegenteil: ich finde es ganz wunderbar von dem Einfachsten, dem Naheliegendsten zum Komplexen zu gelangen. Es passiert einfach indem du – wie du sagst – sisyphos Arbeit leistest. Konzept und Humor?

Auch wenn eine Arbeit konzeptuell angelegt ist und viel Denkerei anstossen mag, sollte die ästhetische Qualität nicht darunter leiden. Wenn dieser Humor nicht vordergründig ist und er sich in eine Arbeit hineinschleicht, finde ich das wunderbar. Kalauer jedoch mag ich nicht.

Mich interessiert der Moment der Entscheidung für diese oder jene tristen Materialien. Warum diese Wand, warum dieser Karton, diese Decke etc...

Triste Dinge würde ich nicht sagen, eher niedere Materialien. Schmutzspuren und andere Strukturen sind in diesem Fall vorgefundene oder zufällige Kompositionen, die mir mehr oder weniger gefallen. Bei den Raumsituationen interessiert mich, wie sich eine ganz gewohnte Situation mittels malerischem Eingriff ein klein wenig verschieben lässt und somit ins Kippen gerät.

Du bist neben deiner Arbeit als bildender Künstler auch ein sehr viel beschäftigter und leidenschaftlicher Musiker. Wie erfährst du dein Musikmachen? Gibt es da „Überschneidungen“ oder steht das Eine nur jeweils für sich?

Eine gute Frage. Musikmachen ist ein wunderbarer Ausgleich zur bildenden Kunst. In meiner Studienzeit an der Akademie habe ich fast mehr Musik gemacht und dies auch wesentlich erfolgreicher als die Malerei. Ich habe dann die Musik Karriere zugunsten der Maler Karriere aufgegeben. Allerdings kann man ja nicht ganz damit aufhören. Ich wollte mehr Zeit im Atelier verbringen als im Proberaum, Tonstudio oder in einem Bus auf der Autobahn. So entstanden all meine Improvisations Bands. Ohne Stücke, ohne Proben, einfach auf die Bühne und los. Die Situation retten, das interessiert mich. Sich ausliefern und dann die Kurve kriegen. Das ist live und so wesentlich anders als im Atelier; grübeln und überlegen, ob der rote Fleck oben rechts oder links unten besser sitzt.

Musik ist viel direkter, allerdings sind die Töne immer auch wieder schnell verklungen. Ausser bei Aufnahmen, da gibt es sehr viele Parallelen zur Malerei. Eine Produktion im Tonstudio ist dem Malen sehr nahe. Das Alleine arbeiten im Atelier hat schon eine besondere Qualität, die ich sehr schätze. Musik macht man ja meistens nicht alleine. In der Gemeinschaft gibt es tolle Ideen, die man nur so entwickeln kann. Die soziale Komponente kann allerdings auch problematisch werden. Mir war dies auf Dauer etwas zu anstrengend und ich fühlte mich immer abhängig von den anderen. Auf Tour mit der Band ist man ja eigentlich nur auf dem stillen Örtchen alleine.

Ein Gespräch zwischen Tom Früchtl und Hermann Oechtering mit Fragmente eines Interviews von Jolanda Draxler mit Tom Früchtl in KUNSTFORUM International Bd.213