Wir freuen uns, Sie auf unsere kommende Ausstellung mit neuen Werken von Ida Tursic & Wilfried Mille in der Bleibtreustraße 45 aufmerksam zu machen. Dies ist die erste Einzelausstellung der Künstler in Deutschland.

Jede Ausstellung des Künstlerduos Ida Tursic & Wilfried Mille (beide 1974 geboren) setzt sich auf humorvolle und überraschende Weise mit Malerei auseinander. Im ersten Raum der Ausstellung begegnet dem Besucher ein kleines Portrait von Oscar Wilde (Öl auf Holz). Ist es tatsächlich Oscar Wildes oder vielmehr Dorian Grays Bildnis? Einleitend soll der Betrachter gewarnt werden: Bilder haben ein Verfallsdatum.

Seit mehr als zehn Jahren untersuchen und entlarven Tursic & Mille die Bedingungen von Malerei. So hinterfragen sie beispielsweise die Wahl der Bildquelle – figurativ oder abstrakt – und seine Bedeutung in einer von Bildern saturierten Welt; die Wahl der Technik und wie diese sich der Bildsprache fügt; die wiederum daraus resultierenden Auswirkungen als auch Einschränkungen hinsichtlich des Gemäldes; die Sichtbarkeit des Herstellungsprozesses; die Zirkulation eines Motivs innerhalb verschiedener Arbeiten. Jedes Werk definiert Tursic & Milles Vorstellung von Malerei neu:

“Malerei kann keine festgelegte und patentierte Geste sein. Sie muss leben, reflektieren und sich stetig fortbewegen. Malerei muss allen Möglichkeiten, die sich aus ihrer Praxis ergeben, gegenüber offen sein. Malerei muss opportunistisch und selbsterkennend sein.” (Ausschnitt aus The making of painting, Lesung am Collège de France, 2014)

Die erste Frage, die sich unmittelbar stellt wenn man die Gemälde von Tursic & Mille sieht, ist: Wie kann ein Maler mit zwei Köpfen und vier Händen funktionieren?

“Zunächst wird das eigene Ego verletzt; der erste Pinselstrich des Anderen lässt sich schwer verdauen. […] Aber es ermöglicht uns, Dinge zu akzeptieren, die wir alleine nie gemacht hätten. […] Manchmal sind wir 1 + 1 = 1; manchmal 1 + 1 = 2.“ (Ebd.)

Eine Besonderheit dieser Arbeitsweise: In ihrem Atelier können die Künstler zeitgleich an einem großformatigen, obszön-pornografischen Gemälde, einem filigranen Portrait auf Holz, einem abstrakten Bild oder einer Radierung mit einer blumigen Landschaft arbeiten. Doch wo liegt der Unterschied? Ein bekanntes Zitat von Maurice Denis (1890) besagt: "Vergiss nicht, dass ein Gemälde, bevor es zu einem Schlachtross, einer nackten Frau oder irgendeiner Anekdote wird, eine ebene Oberfläche ist, die mit auf bestimmte Weise angeordneten Farben bedeckt wurde.“ Hier geht es um Malerei, Prozess und Bilder: Wie sie auftauchen und wieder verschwinden. Die klassischen Kategorien wie der Akt, das Portrait, Landschaftsmalerei und Stillleben werden mit der Realität (oder Anti-Realität) der gegenwärtigen digitalen Bilderflut konfrontiert.

Im Werk von Tursic & Mille sollte man vor allem auf die Details achten und zwischen die einzelnen, sich überlappenden Schichten schauen. Hier erkennt man die Montagne Sainte-Victoire von Cézanne, dort findet man die Vergrößerung eines Versuchs mit Airbrush-Technik, welcher als Vorlage für ein anderes Gemälde diente. Einige der abstrakten Gemälde bestehen aus Offsetplatten – Abfälle der letzten Katalogproduktion – die von den Künstlern zuvor wie Malerpaletten benutzt wurden. All diese Verbindungen, aber auch die künstlerische Herangehensweise und Zirkulation der Motive folgen einer gemeinsamen Linie: dem Lustprinzip.

“Etwas in den Gemälden von Ida Tursic und Wilfried Mille lässt uns schöner erscheinen und zu würdigen Zuschauern werden. Hier findet sich der unfassbare Teil in Ida Tursics und Wilfried Milles Werk. Es liegt in der Natur und Machart dieser Verbindung, die uns partizipieren lässt. Auch wenn die Werke jede Menge Raum für greifbare Dinge bieten, diese aber nicht an einen bestimmten Ort binden, dann weil der eigentliche Bezug woanders liegt: nämlich bei dem kontinuierlichen Versuch, diesen nicht greifbaren Teil auszudrücken, welcher allein Kunstwerke von alltäglichen Objekten absetzt und den Unterschied zwischen Bildern und Gemälden erst deutlich macht.” (Éric Troncy, This Painting in Ida Tursic & Wilfried Mille. Decade, Les presses du réel, 2011)

Ida Tursic (1974 in Belgrad, Serbien) und Wilfried Mille (1974 in Boulogne-sur-mer, Frankreich) leben und arbeiten in Diénay, Burgund. Ihre Werke wurden in Einzelausstellungen u. a. im Musée des Beaux-Arts, Dôle; FRAC Auvergne, Clermont-Ferrand; Le musée de Sérignan und 40m Cube, Rennes gezeigt. Sie nahmen an zahlreichen Gruppenausstellungen teil, darunter Shit and Die, Palazzo Cavour, Turin (kuratiert von Maurizio Cattelan) (2014); Halftone, Galerie Max Hetzler, Paris und Berlin (2014); My Paris, ME-Collectors Room, Berlin (2011); Centre Pompidou at Hermitage Museum, St. Petersburg (2010); und l’Image Cabrée, Centre Pompidou, Paris (2010). Ihre Arbeiten sind u. a. in folgenden Sammlungen vertreten: Centre Pompidou, Paris; Le Consortium, Dijon; Berardo Museum, Lissabon; Francès Foundation, Senlis und FNAC, Paris. Im Oktober 2014 nahmen sie an einem Symposium über Malerei am College de France gemeinsam mit Glenn Brown und Jeff Koons teil. Im Juli 2015 wurde ihre zweite, der Öffentlichkeit zugängliche Arbeit in Frankreich eingeweiht: Eine Installation mit Gemälden im Salon de Musique der Villa Laurens in Agde.