Die Galerie Michael Haas eröffnet am Gallery Weekend eine Ausstellung mit drei in Katalonien situierten Künstlern.

Die Gemälde von Tàpies, Alcaraz und Rubert in der umfassend angelegten Schau in der Galerie Michael Haas und im Kunst Lager Haas zeugen zunächst von evidenten Gegensätzen, bei einem zweiten Blick jedoch auch von einigen Gemeinsamkeiten. Die Werke der beiden jüngeren Künstler nehmen formal wie inhaltlich Bezug zu den Gemälden von Antoni Tàpies. So ist die Surrealität von Tàpies frühen Bildern in den Bildwelten Gino Ruberts spürbar. Der spezifische Umgang mit unterschiedlichen Materialen ist in den plastischen Bildern von Jordi Alcaraz ebenso von zentraler Bedeutung wie bei Tàpies. Das Spiel mit Wahrnehmung und (De-) Konstruktion von Wirklichkeit ist allen drei Künstlern gemeinsam.

Antoni Tàpies, 1923 in Barcelona geboren und 2012 ebenda gestorben, gilt als wichtigster Vertreter des spanischen Informel. Er mischt in seine Gemälde Sand, Zement, Marmorstaub, Leim. Er kratzt Farbe solange ab und trägt sie wieder erneut auf, bis die Oberfläche wie schrundiges Mauerwerk wirkt. Tàpies hat sich Zeit seines Lebens intensiv mit den fernöstlichen Philosophien ausei­nandergesetzt. Auf der Suche nach dem Ausdruck integriert er einzelne Buchstaben, Zeichen, Kreuze, auch Gegenstände oder Kleidungsstücke. Antoni Tàpies Material- und Mauerbilder wirken geheimnisvoll, meditativ. Er selbst bezeichnete sich nicht als abstrakter Künstler, sondern als Realist, der in seinen Arbeiten versuche, die Wirklichkeit begreifbar zu machen.

Auch Jordi Alcaraz, 1963 im katalonischen Calella geboren und dort lebend, geht es in seinen Materialbildern darum, mittels freier Formen die Vielschichtigkeit der Wahrnehmungsmöglichkeiten von Wirklichkeit zu transportieren. Er arbeitet mit Bildern, Worten und verschiedenen Materialien, insbesondere Glas, Spiegeln, Metall, Stein, Holz, Farbe, aber auch mit Büchern. Gemäß des zeichneri­schen Vorgangs entstehen raumgreifende Arbeiten, in denen metallische Linien Beziehungen zu anderen Stoffen eingehen. Die auf diese Weise entstehenden Spiegelungen und Reflektionen, subtile Schattenbildungen, der Kontrast zwischen Hell und Dunkel, glatten und rauen Oberflächen, sowie Transparenz und Massivität, treten in Dialog zueinander, bedingen sich in Wechselwirkung und bleiben bewusst fragmentarisch angelegt. Die Arbeiten können als Gemälde bezeichnet werden und besitzen dennoch gleichzeitig Eigenschaften der Skulptur. Alcaraz erforscht mit seinen Arbeiten die Dreidimensionalität, wobei der Dialog zwischen der Oberfläche und dem Inneren von Objekten zu einem ständigen Thema geworden ist.

Der in Barcelona lebende Künstler Gino Rubert, 1969 als Kind spanischer Eltern in Mexiko geboren, ist vor allem Maler. Er arbeitet aber auch mit den Medien Zeichnung, Video und Installa­tion und schreibt Erzählungen. Seine Bildwelt zeigt moderne Menschen – junge Frauen und meist ein Mann in Gestalt des Künstlers – und die vielen rätselhaften und komplexen Zustände, in die sie alleine oder mit anderen verwickelt sind. Den Betrachter verschont der Künstler nicht. In einem Spiel der Blicke wird er in die kleinen und großen Dramen auf Ruberts Leinwänden hineinge­zogen und wird selbst zum Voyeur. Es sind Gefühle und Ängste, Begehren, Abhängigkeiten und Konflikte, die Rubert in traumhaften Szenen unter der Oberfläche einer realistischen Malerei themati­siert. Wie Tàpies und Alcaraz nutzt auch er die Technik der Collage: Die Wirklichkeit bringt er greifbar in Form von Fotos oder Textilien in seine Bilder. Diese realen, und doch seltsam fremden Versatzstücke entrücken die Bilder ins Surreale. Und hier schließt sich inhaltlich wieder der Kreis zu Tàpies und dessen Gemälde „Caballeros presentes“ von 1950 aus seiner frühen surrealistischen Phase.