Guido W. Baudach freut sich, Orbits of High Velocity Stars, die sechste Einzelausstellung von Björn Dahlem mit der Galerie zu präsentieren. Als naturwissenschaftlich interessierter Bildhauer findet Dahlem skulpturale Bilder für Phänomene, die sich am Rand des Unerklärlichen bewegen. Für den Laien oftmals schwer nachvollziehbare Theorien von der Konstitution des Universums und seiner Gesetzmäßigkeiten transformiert er in das Feld der Kunst.

Dabei verwandelt Dahlem wissenschaftliche Begrifflichkeiten in konkrete dreidimensionale Gebilde, in denen Chaos und Ordnung, Astrophysik und Science- Fiction, methodisches Experiment und Alchemie ebenso spielerisch wie humorvoll und poetisch zusammenkommen. Durch ihre Materialität stets dem Alltag verbunden, changieren seine Skulpturen und Installationen zwischen Mikro- und Makrokosmos, Erde und Himmel, Mensch und Welt. Die häufige Verwendung von Leuchtmitteln wie Glühlampen oder Neonröhren steht dabei gleichsam für das Erhellende, das von diesen präzise konzipierten Werken ausgeht.

Mit dem Terminus „High Velocity Stars“ beschreibt die Astronomie einen erst vor wenigen Jahren entdeckten Typus von Sternen, die sich mit großer Geschwindigkeit und in unregelmäßigen elliptischen Bahnen, ihren Orbits, um einen außerordentlich massereichen Gravitationspunkt, z.B. ein Schwarzes Loch, bewegen. Von diesem kosmischen Phänomen inspiriert, greift Dahlem in die bauliche Grundstruktur des Galerieraums ein und setzt den entstehenden Ort in Beziehung zur dynamischen Architektur seiner eigentlichen Installation. Orbits of High Velocity Stars bildet jedoch nicht einfach das wissenschaftliche Modell der gleichnamigen stellaren Konstellationen nach, sondern erscheint als subjektive skulpturale Parabel auf die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis und verweist gleichzeitig auf den Punkt, an dem Wissenschaft und Kunst sich im Aufstellen von Behauptungen - einerseits in Hinblick auf das was „wahr“, andererseits auf das, was „schön“ sein möge - treffen. Die reflexive Qualität dieser ernsthaften Aneignung wissenschaftlicher Konstrukte und ihrer Bedingungen erweist sich dabei nicht zuletzt in Dahlems stetem Rückgriff auf bewusst profane Arbeitsmaterialien.

In Dialog zu seiner raumgreifenden Installation setzt Dahlem ein vergleichsweise kleines Wandobjekt, welches sich dem Betrachter nur zur verglasten Vorderseite hin öffnet und darin an Arbeiten von Cornell und Beuys erinnert. Es beherbergt eine Analogie der Dunklen Materie, welche, wenngleich unsichtbar und in ihrer Existenz bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen, die theoretische Voraussetzung für die Erklärung aller sichtbaren Himmelskörper und ihrer Bewegung darstellt. Ähnlich wie beim menschlichen Bewusstsein bleibt hier manches der messbaren Wahrnehmung verborgen, was nichts desto weniger essentiell ist. Als gleichsam holistisches Weltbild steht der spiegelnd schwarz ausgekleidete, von innen beleuchtete Schaukasten für den philosophischen Aspekt, der sich in Dahlems Kunst beständig mit den von ihm untersuchten kosmischen Zusammenhängen verbindet.

Die Beschäftigung mit dem Ungewissen im Irdisch-Kosmischen ist das zentrale Element in Björn Dahlems künstlerischer Praxis. Seine Skulpturen entstehen auf der Grundlage einer profunden Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften als vorherrschendem Welterklärungsmodell der Gegenwart. Oft nimmt Dahlem aktuelle Forschungsergebnisse zum Anlass für sein Schaffen und lässt sich von diesen zu neuen Werken inspirieren. Was ihn als Künstler, auch im Falle der Orbits of High Velocity Stars, aber vor allem interessiert, ist die Veranschaulichung der Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, jenes Graubereichs, wie ihn die Wissenschaft exemplarisch vorführt, und in dem sich auch unser aller normales Leben und Erleben immer wieder abspielt.

Björn Dahlem, geboren 1974 in München, lebt und arbeitet in Berlin. Er ist Professor an der Kunsthochschule Braunschweig und hat an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teilgenommen, u.a. MoCA Taipeh; Kunstmuseum Stuttgart (2013); Kunstverein Braunschweig; Kunsthalle Rostock (2012); Mudam Luxembourg (2011); Quadriennale Düsseldorf; Kunstmuseum St. Gallen; Temporäre Kunsthalle Berlin, (2010); La Conservera, Murcia (2009); ZKM, Karlsruhe (2008); Bregenzer Kunstverein; kestnergesellschaft, Hannover (2007); Hirshhorn Museum, Washington DC (2006); Hamburger Kunsthalle (2005); Hammer Museum, Los Angeles; Hamburger Bahnhof, Berlin; FRAC, Marseilles (2004); Kabinett für aktuelle Kunst, Bremerhaven (2003); Kunstverein Hannover (2002); Museum Abteiberg, Mönchengladbach; Van Bommel Museum, Venlo (2001); Neuer Aachener Kunstverein (2000); Fridericianum Kassel (1999). Im Herbst 2014 wird Björn Dahlem im Matadero Center for Contemporary Art Madrid und in der Bundeskunsthalle in Bonn ausstellen.

Galerie Guido W. Baudach

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Öffnungszeiten

Von Dienstag bis Samstag
Von 11.00 bis 18.00 Uhr

Abbildungen

1 & 3 Orbits of High Velocity Stars, 2014, Holz, Stahl, Aluminium, Lampen / wood, steel, aluminium, lamps, 300 x 1150 x 800 cm, Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin, Foto / photo: Roman März
2. Orbits of High Velocity Stars, 2014, Holz, Stahl, Aluminium, Lampen / wood, steel, aluminium, lamps, 300 x 1150 x 800 cm, Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin, Foto / photo: Roman März
4. Orbits of High Velocity Stars (Detail / detail), 2014, Holz, Stahl, Aluminium, Lampen / wood, steel, aluminium, lamps, 300 x 1150 x 800 cm, Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin, Foto / photo: Roman März
5. Orbits of High Velocity Stars, 2014, Holz, Stahl, Aluminium, Lampen / wood, steel, aluminium, lamps, 300 x 1150 x 800 cm, Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin, Foto / photo: Roman März (detail)
6. Orbits of High Velocity Stars (Detail / detail), 2014, Holz, Stahl, Aluminium, Lampen / wood, steel, aluminium, lamps, 300 x 1150 x 800 cm, Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin, Foto / photo: Roman März