Gesichter, nichts als Gesichter in virtueller Gestalt direkt vor unserem Auge. Jedes für sich, und keines ist so wie das andere gemacht. Über mehrere Wochen aus mehreren Farbschichten aufgebaut, wirken sie mal so, als wären sie parallel zu realen Vorbildern geschaffen. Ein anderes Mal ist aber die obere Schicht mit Spachtel oder Rakel so traktiert und aufgeraut, dass es zu Verschiebungen, Verwischungen, Verunklarungen kommt, wodurch sich zwischen Betrachter und Bild eine schwer überwindbare Schwelle des Respekts schiebt. Das, was da erst einmal mit viel Aufwand so hingesetzt wurde, wie es erscheint, gewinnt dabei an abstrakter Fahrt. Der dadurch formulierte Abstand bremst die Geschwindigkeit des Sehens ab.

Die Malerei, die hier wie ein Filter auch des Bewusstseins funktioniert, wendet sich mit Verve gegen die vordergründige Annahme, es handele sich um das pure Abbild eines äußeren oder inneren Bildes. Auf diese Weise wird neben der Malerei in ihrer weisen Differenz zur � dummen � Fotografie auch das Handwerkliche mit seinem speziellen Zeitmaß thematisiert. Mit dem Verlust des allzu Glatten kommt es nicht nur zur Tilgung der Unmittelbarkeit, die für Zugänglichkeit per Nähe sorgt, sondern auch zu einem ungewöhnlichen Pathos der Tiefe, der, einem Blick aus der Ferne entsprungen, etwas geheimnisvoll Unausdeutbares herbeizaubert. (.............)

Irritierend ist, dass Meyer in der Regel eben auf keine Modelle aus seinem Freundeskreis zurückgreift, sondern die Gesichter den alles beherrschenden, den geschmacks- und meinungsprägenden Medien entlehnt. Aber nicht aus einem Bedürfnis heraus nach blinder Verdoppelung. Vielmehr setzt da eine langwierige Suche nach einem bestimmten Moment ein, der mehr als andere sagt. Man könnte da von einer Verdichtung durch Farbschichtung sprechen.

Aber auch das genügt noch nicht. Alles in allem findet da ein Transfer statt, verbunden mit der Frage, was wohl von den Gesichtern für eine Wirkung ausgeht, wenn sie aus den Medien, wo sie herkommen, abgezogen sind. Was bleibt dann noch von ihnen? Ist da etwas, was über den Augenblick ihres kurzen Auftauchens in den Medien hinaus noch wirksam sein könnte?

Etwas Unausgesprochenes, das die Sehmaschine dauerhaft in Gang hält. Etwas, dem man sich nicht entziehen, weil man es nicht einfach ablegen oder verschwinden lassen kann. Indem Meyer für diese schwierige Übersetzungsarbeit die Malerei als Medium engagiert, bezeugt er natürlich deren Macht und Besonderheit gegenüber anderen Medien, ohne diese zu diffamieren. Der Verlust, der bei der Übertragung von einer Fotografie auf die Leinwand unvermeidbar ist, wird durch einen Gewinn an haptischer Sinnlichkeit kompensiert. Interessant an den Gesichtern ist, dass Meyer es nicht nur bei einer kleinen Reihe belässt, sondern auf eine ans Filmische erinnernde Endlosreihe setzt, wodurch deutlich wird, dass da eine Obsession, ein Wiederholungszwang, aber auch der Wunsch vorliegt, eine imaginäre Gemeinschaft um sich zu versammeln. Eine, in der er vielleicht so etwas wie Heimat findet. Eine Heimat, die anderswo, außerhalb der Kunst weder einen Platz noch eine Chance hat. Ein Gesicht an und für sich wirkt gänzlich anders, sobald es sich in einem Ensemble wiederfindet, wodurch so etwas wie Bewegung ins Spiel kommt. (...........)

Auszug aus einem Text von Heinz-Norbert Jocks

Galerie Voss

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Öffnungszeiten

Von Dienstag bis Freitag von 10.00 bis 06.00 Uhr
Samstag 11.00 bis 02.00 Uhr

Abbildungen
  1. Harding Meyer, o.T. (08-2014), Öl auf Leinwand, 2014, 90 x 110 cm
  2. Harding Meyer, o.T. (1-2014), oil on canvas, 2014, 190 x 250 cm
  3. Harding Meyer, o.T. (9-2013), oil on canvas, 180 x 250cm, courtesy Galerie Voss, Düsseldorf
  4. Harding Meyer, o.T.(05-2014), oil on canvas, 2014, 200 x 260 cm
  5. Harding Meyer, o.T. (07-2014), Öl auf Leinwand, 2014, 200 x 260 cm
  6. Harding Meyer, o.T. (20-2013), oil on canvas, 2013, 200 x 260 cm