Der chinesische Regisseur Gan Xiao'er (甘小二) erzählt in Waiting for God (在期待之中, 2012) aus dem Leben der schwangeren Xiaoyang, die wegen religiöser Intoleranz ihren Freund, einen Zimmermann aus Hunan, nicht heiraten darf.

Gan Xiao'er stellt nach The only Sons (2002) und Raised from Dust (2007) seinen dritten Independent-Film mit christlicher Thematik vor. Im Gegensatz zu seinem vorherigen Film, der angesichts des materiellen und körperlichen Leids der Protagonistin die mangelnde Barmherzigkeit der Gemeinde anprangert, konzentriert Gan nun den Konflikt auf das Innere seiner Hauptfigur, die von ihrer Gemeinde in die Isolation getrieben wird.

Als Gemeindebeauftragte steht die junge Xiaoyang, also Maria, vor eine Aufgabe die sie mit Hingabe ausübt, doch Intoleranz und Verachtung schlagen ihr von Gemeindemitgliedern entgegen. Auch die dogmatische Haltung des Pfarrers, der die Künste gerne im Dienste der Religion sieht, erschwert ihre Aufgabe. So lehnt er ihren Vorschlag ab, ihre ehemalige und musikalisch talentierte, aber nichtgläubige Klassenkameradin als ehrenamtliche Chorleiterin zu engagieren. Zugleich werden Neid und Konkurrenzdenken des Pfarrers deutlich. Der Regisseur führt uns die Laster innerhalb und außerhalb der Gemeinde vor Augen. Doch allein Xiaoyang scheint für ihre Sünde büßen zu müssen.

Zeitlich konzentrieren sich Handlung und Schwangerschaftsverlauf Marias auf einen einzigen Tag. So offenbart Maria am Morgen ihre Schwangerschaft an einen Baum und wird daraufhin verachtet. Am Vormittag vertraut sie ihren Kummer einem Baum an und erfährt zugleich das Mitgefühl einer buddhistischen Nonne. Gegen Mittag zeigt ihr der Pfarrer voll Stolz in Auftrag gegebene Wandbild mit der Verehrung Marias durch die Hll. Drei Könige. Am Nachmittag lässt sie im Dorf ein Kreuz schmieden, welches sie zum Gemeindehaus trägt. Auf dem Weg hält sie Rast an jenem Baum. Da begegnet sie drei Männern, die als Prediger auf der Durchreise sind und von ihrer Ankunft hörten und von fern das Funkeln ihres stählernen Kreuzes sahen. Maria wird zu ihrer Schwangerschaft befragt und der Vorschlag eines der drei Männer, ihren Sohn doch Josef zu taufen, bringt sie wieder zum lächeln. Der Betrachter darf angesichts des komischen Zufalls lachen und so die Geschichte vervollständigen und erneut einen Verweis zwischen Neuem und Altem Testament herstellen: Die Präfiguration der Hll. Drei Könige als die drei Männer in Der Herr bei Abraham in Mamre (1.Mose 18) und jene der Maria als Sara werden hierbei anschaulich dargestellt.

Ästhetisch orientiert sich Gan Xiao'ers neuester Film noch stärker an Ingmar Bergman, mit langen Einstellungen in Schwarz-Weiß. Dramaturgisch setzt Gan auf Einheit von Raum und Zeit und bedient sich des Verfremdungseffekts wie Brecht ihn für das epische Theater formulierte. So geht auch die Kamera auf Distanz und gerade dann, wenn das Drama seinen Höhepunkt erreicht, wird es still und dem Betrachter wird seine außenstehende Position bewusst gemacht.

Gan fühlt sich dem ländlichen China verbunden, schöpft aus der christlichen Bildtradition und dreht seine Filme zum Teil mit Laiendarstellern aus den christlichen Gemeinden. Innerhalb dieser sorgen seine Filme für Diskussionen. Jenseits dieser haben seine Filme kaum Verbreitung und sind aber, trotz ihres bisweilen christlich moralisierenden Anstrichs, eine äußerst sehenswerte Abwechslung zu Kassenschlagern wie der Enthaltsamkeits-Saga Twilight oder Endzeitszenarien á la After Earth.

Gan Xiao'Er wurde 1970 in Xinxiang, Henan geboren, schloss sein Studium an der Filmhochschule von Beijing 1998 ab und lehrt heute Regie am Arts Education Centre in Guangzhou. Im Jahr 2000 gründete er den The Seventh Seal Film Workshop und macht seitdem eigene Filme. Frühere seiner mittellangen Film spielen unter jungen Chinesen. In Not too close, not too detached(若即,若离, 2005) setzt Gan ein junges Schauspielerpaar in einen Raum, angefüllt mit kunsthistorischen Bezügen und im Wechselspiel mit Wertvorstellungen und Haltungen junger Chinesen. Im Experimentalfilm Fear and Trembling (恐惧 与 颤栗, 2009) versammelt Gan eine Gruppe junger Menschen, als mythischen Figuren gekleidet und dem japanischen Manga ähnelnd, um ein großes Holzkreuz, was auf den Kreuzweg hindeutet, jedoch ohne einen Jesus.

References

Lai, Y. [賴勇衡]. (2013). The postsocialist cross in rural China : a case study of Gan Xiao'er's religious features. (Thesis). University of Hong Kong, Pokfulam, Hong Kong SAR. Retrieved from http://dx.doi.org/10.5353/th_b5099034