Im weit zurückliegendem Jahr, 1875, als der erste Deutsche Kaiser, Wilhelm I, noch den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871) offiziell feiern ließ, bereitete sich die Stadt Hamburg für eine große Wandlung vor. Gerade nach 1871 wuchs der politische Druck des Deutschen Reiches um die Stadt, den Zollanschlussvertrag zu verhandeln. Ab 1868 wurden ziemlich viele bauliche Maßnahmen umgesetzt, z.B. damals neue Bahnverbindungen, die heute nicht mehr existieren, oder die Fertigstellung der Kaianlagen – wo die Kaispeicher (A und B) gebaut wurden – Meisterwerke der Statik, denn sie mussten zwei unterschiedlichen Druckarten standhalten.

Die Speicherstadt wurde später gebaut, aber die Vorphase beinhaltete gerade die Verbesserung des Umschlags und der Lagerung von Importgütern in der Freien Reichsstadt Hamburg. Im Jahr 1875, während in Berlin die neu gebaute Siegessäule als große Attraktion zu bewundern war, ließ sich Johannes Dalmann, Wasserbaudirektor des Hafens, ein besonderes Projekt einfallen und errichten: den Kaiserspeicher oder Kaispeicher, an der engsten westlichen Spitze des Kaiserkais (aktuell steht dort die Elbphilarmonie). Der Grundriss hatte an sich die seltsame Form eines Trapezes, was allerdings kein Hindernis war, um dort ein Lagerhaus zu bauen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Hafen Bedarf nach modernen Lagermöglichkeiten, die durch den erhöhten Import von Rohstoffen gebraucht werden würden. Auch wenn Dalmann sein geplantes Dauerlagerhaus nicht fertig sehen konnte, denn er starb im Jahr der Fertigstellung, überlegte er bis hin zum kleinsten Detail die Funktionsfähigkeit des ersten Speicherhauses, bei dem an drei Stellen, im gleichen Abstand, Kräne angebaut wurden. Dazu kam auch noch eine Bahnverbindung, welche als Endpunkt die hinteren Pforten des Komplexes hatte und führte über die Baakenbrücke (jetzt Magdeburger Brücke) bis zum Bahnnetz. Vor dem Bau des Kaispeichers A war die politische Lage im Deutschen Reich mehr als euphorisch; Kaiser Wilhelm I stand an der Spitze der neuen Großmacht in Europa. Als Hoffnungsträger für viele - vor seiner Proklamation schlossen sich die Süddeutschen Länder an den Norddeutschen Bund - war die Kaiserfigur für Wasserbaudirektor Dalmann eine Art Inspiration. Aufgrund dessen widmete er ihr sein Projekt und nannte es gerade „Kaiserspeicher“ in Gedenken an den neu gekrönten Wilhelm I.

Die architektonischen Eigenschaften des Gebäudes machten aus ihm siebenundachtzig Jahre lang das Wahrzeichen des Hafens und Motiv für Souveniers und Postkarten bis in die 1950 Jahre. Denn Fassaden, Dächer und Turm wurden im Früh-Backstein-Stil gebaut, aber mit dem Unterschied der Überdimensionierung der Dachneigung und der Decken. Letzteres erhöhte bei vier Geschossen und Dachboden die gesamte Höhe des Hauses. Dieses Detail zwang den Entwurf einen genauso hohen – fünf Geschosse – oder höheren Turm platzieren zu müssen. So ist die Höhe des Turms ab dem höchsten Punkt des Lagerhauses bis zur Spitze sogar etwa höher. Die Turmspitze war mit einem Zeitball gekrönt, der damals für die exakte Uhreinstellung der Schiffe diente. Ein weiterer Vorteil an der Nutzqualität des Entwurfs war die Aufstellung der Portalkräne, wobei Schiffe direkt vor dem Speicher entladen werden konnten. Dafür wurde auch eine Fläche zwischen Beckenkante und Fassade berücksichtigt, um die Umschlagsarbeiten zu vereinfachen. Dabei ist zu erwähnen, dass neben den Portalkränen auch an der obersten Stelle Giebeldächer mit Kränen angebracht waren. Deren Funktion war sicherlich, die Ware in die unterschiedlichen Geschosse zu verteilen. Allerdings wurde die Form dieser Giebeldächer besonders entworfen; sie ähnelten kirchlichen gotischen Arkaden und hatten an der Spitze eine Erweiterung des Gemäuers als kleine Türme. Nach dem Bau des imposanten Gebäudes durften Schiffe direkt durch die Elbe bis zum Grasbrook (Hafenbecken) anlanden. Der erste Eindruck der Kapitäne und Matrosen überseeischer Dampfer täuschte vor, eine imposante Basilika mitten im Hafen zu sichten. Der Turm war etwa 40 Meter hoch, dessen Frontalansicht ergab eine Art Dreidimensionalität, weil sich die rechte und linke Seite des trapezförmigen Grundrisses bis in vier Geschosse mit „gotischen“ Dachreitern hoch richtete.

Im zweiten Weltkrieg, während die Siegessäule in Berlin nicht mehr am Königsplatz gegenüber dem Reichstag, sondern an ihrer heutigen Platzierung (sie wurde im 1938 abtransportiert) mit wenigem Schaden die Bombardierung überstand, bekam Johannes Dalmanns Entwurf ein paar Treffer ab, vor allem an der östlichen Seite, wo die Eisenbahnlinien starteten. Die Substanz war eigentlich, laut Zeugen, nicht extrem gefährdet, nur die nördliche Seite, Frontfassade und Turm hatten keine Schäden. Ein Wiederaufbau wäre mit Sicherheit, aus der jetzigen Perspektive, nur eine Frage der Entscheidung, denn die Halbruinen waren keine einfachen Trümmer, sondern der Beweis der Früh-Backsteinarchitektur in Hamburg und wahrscheinlich in der Region und auf jeden Fall das erste Gebäude der Speicherstadt.

Im Jahr 1963 wurde der gesamte Komplex abgerissen, der unbeschädigte Turm wurde als erstes gesprengt. Somit gingen schöne Erinnerungen vieler Norddeutscher, die einst dort als Bewohner oder Touristen ein Bild gemacht hatten, wieder lebendig. Wiederrum machte man damit die Hoffnung zunichte, einen Zeugen des Backstein-Stils zu retten, den wir heute hätten bewundern können.