Ich wohne auf der Insel Palma de Mallorca, in der Fliegersprache nennt man meinen Wohnort PMI (da die Namen der Flughäfen viel zu lang sind, hat man sie in Drei-Buchstaben-Codes abgekürzt). Also PMI ist in Spanien und dort spricht man spanisch.

Letzte Woche wurde ich sieben Jahre alt. Oh, wie schön ist das Leben. Am liebsten bin ich am Strand, wenn die Sonne mit voller Kraft strahlt, als hätte sie 20 kg Schokokekse gegessen und 15 Liter Milch getrunken. Dann lasse ich meinen Kopf bescheinen und betrachte das Meer. Manchmal ist es so flach wie ein Teller, manchmal aber auch wild wie ein Tiger und so groß, dass man nicht weiß, wo das Wasser aufhört.

Wenn es regnet, beobachte ich unter einer Palme, wie die dicken Regentropfen auf den Strand platschen. Ab und zu gibt es so viel Regen, als wäre die ganze Welt aus Wasser.
Es war ja nicht so viel los in meinem Leben.
Doch an diesem sonnigen Tag habe ich etwas gefunden zwischen Muscheln, Krabben und Sand, was mein Leben schlagartig änderte, eine Flaschenpost.

Eine Flaschenpost, das ist so etwas wie ein Brief. Voller Neugier habe ich die Post aufgemacht und von Anfang bis Ende und vom Ende bis Anfang gelesen, bis ich den Brief auswendig konnte. Esmeralda Lucia, 6 Jahre alt, seufzte, sie brauche dringend neue Freunde, sie sei so allein, weil ihr Freundeskreis gemein zu ihr gewesen sei und ihr Kaugummi in die Haare geklebt habe.

Ich wollte ihr neuer Freund werden!

An dem Tag war der schönste Tag in meinem Leben, doch Esmeralda Lucia hatte keinen Absender auf ihren Brief geschrieben, ich wusste also nicht, wo sie wohnte.
Wenn ihr einen Brief schreibt, müsst ihr eure Adresse draufschreiben, damit man euch zurück schreiben oder euch besuchen kann. In Absprache mit meinen Eltern habe ich meine Tasche gepackt, um das kleine Mädchen zu suchen und meine Weltreise zu starten.

Das Flugzeug donnerte über den Asphalt und machte Rabatz. Dann flogen Häuser und Kraniche links und rechts an mir vorbei. Ich hatte einen Fensterplatz. Es ging über den Ozean und unter mir wurde alles blau und kleiner. Das Flugzeug überholte die vielen Wolken und nach ein paar Stunden war ich am Times Square in New York City (JFK) in Nordamerika.
Fast alle sprechen hier englisch. So riesige knallbunt beleuchtete Wolkenkratzer, gelbe Taxis und Millionen von Menschen habe ich noch nie vorher gesehen.
Mir wurde bewusst, dass es verdammt schwierig werden würde, ein kleines Mädchen zu finden, das gerne Briefe schreibt und sie in eine Flaschenpost steckt.

Nicht weit vom Times Square befindet sich das Rockefeller Center. Noch so ein Monstrum von Hochhaus und da gibt es etwas, das ich bis dahin auch nicht kannte.
Man nennt das eine Schlittschuhbahn. Jeder drängelte sich vor und wollte Schlittschuh laufen.
Das wollte ich auch ausprobieren. Am Anfang fiel ich auf dieser glatten Eisfläche hin, doch später ging es schon besser.

Ich murmelte: „Esmeralda Lucia, bist du hier?“ Doch niemand antwortete.
Meine Reise ging weiter nach Mexiko, in die Hauptstadt, mit dem einfachen Namen Mexiko-Stadt (MEX). Jeder spricht hier spanisch und man isst gerne Tortillas. Dieses Brot wird aus Maismehl gemacht. Vor Ort ging es erst mal zu einem Schuhputzer. Die sind fast überall in Mexiko und ich fragte ihn: „Was kann man sich in Mexiko-Stadt so anschauen und wo sind Kinder?“ Er antwortete gemütlich und freundlich: „Die Pyramiden, geh zu den Pyramiden.“

Doch als ich ankam, war hier so gut wie kein Mensch. Aber man hat mir gesagt, dass sich am obersten Teil der Pyramide ein Stück Silber im Gestein befindet und dass man sich etwas wünschen kann, wenn man es berührt. Ich kletterte hoch und wünschte mir etwas. Die Reise ging weiter und die Suche nach Esmeralda Lucia.

Ab nach Havanna (HAV). Das ist auf Kuba, einer kleinen Insel in der Karibik.
Auch hier reden alle Leute spanisch. Ich stand mitten in einem Heer von Kindern und mindestens drei Meter großen Menschen, um mich herum bunte Häuser. Ich schaute mich um und fragte nach einem kleinen Mädchen, das eine Flaschenpost weggeschickt hatte.

Alle schüttelten den Kopf. Ich lief weiter durch die Altstadt von Havanna, an alten Häusern vorbei. Lebenslustige Musik schlug mir entgegen, ab und zu sah ich in der Ferne alte Autos, die ich bis dahin nicht kannte, und ich wusste auch nicht, dass Autos so alt werden können, bis ich in einen sehr alten Hof gelangte. Dort spielten einige Kinder mit einem Stock und einem Ball, sie sagten: „Das ist Baseball.“ Doch eine Esmeralda Lucia kannten sie auch nicht.

Fliegen ist interessant und in meinem kleinen Buch schrieb ich alles auf, was ich entdeckte, und ich überlegte, wohin ich nun fliegen sollte. Am Flughafen mit dem Namen José Martí stieg ich einfach in irgendein Flugzeug ein und war gespannt, wo es hinfliegen würde.
Es wurden wieder Wolken überholt und Tausende von Vögeln hätten wir auch fast überholt, doch sie flogen in die andere Richtung.

Nach einigen Stunden verließ ich das Transportmittel der Zukunft, das millionenfach schneller ist als der Bus oder die Straßenbahn auf meiner Insel. Ich lief immer geradeaus – wo ich war, wusste ich nicht. Doch es roch lecker nach saftig gegrilltem Fleisch und Leute tanzten auf der Straße zu einer Musik, auch hier sprach man spanisch. Aber als ich dann in einem Viertel war, wo alle Häuser und Wände rot, blau, gelb, grün, einfach kunterbunt bemalt waren, stellte sich die Frage, warum nicht die ganze Welt bunt ist. Als ich dann diese Fahne erblickte, wusste ich, dass ich in Argentinien war und die Stadt hieß Buenos Aires (EZE). Doch der Kopf, mit der Sonnenbrille bestückt, wusste auch nichts von einem kleinen Mädchen, das Briefe im Wasser verschickt, und es ging weiter.

Ich hatte noch nicht genug von dieser Welt gesehen. Außerdem hatte ich ja auch noch nicht meine Brieffreundin gefunden, deshalb flog ich nun nach Asien.
„Wo, wie, was?“, fragt ihr euch. „Asien?“ Asien ist ein Kontinent und besteht aus verschiedenen Ländern. Unter anderem gehören folgende Länder dazu: Indien, China und Japan. Von Brasilien flog ich nach Hongkong (HKG). Das ist in China und man spricht chinesisch. Die Leute sehen etwas anders aus als Europäer, sie haben mandelförmige Augen.
Die Schrift sieht auch anders aus. In China geht man gerne in Tempel statt in die Kirche.
Leider kannte man hier auch keine Esmeralda Lucia und ich beschloss, zurück nach Europa zu fliegen.

Es ging in die Stadt Lyon (LYS). Hier gibt es das beste Essen in Frankreich und hier kommt der kleine Prinz her. Die Menschen essen gerne hier, man spricht französisch und alle genießen das Leben. Hier fühlte ich mich sehr wohl. Es gibt zwei Flüsse und extra für mich wurden der größte Blumenstrauß und ein Riesenrad aufgebaut. Ich fragte Tausende Passanten,
ob sie vielleicht ein kleines Mädchen kennen, das Esmeralda Lucia heißt und Briefe in eine Flasche steckt anstatt in einen Briefumschlag. Aber alle schüttelten den Kopf nach rechts und links. Ich aß noch einen flachen Pfannkuchen mit Schokolade, der hier „Crêpe“ heißt, und die Suche ging weiter.

Es wurden wieder Wolken überholt, Menschen, Straßen, Häuser wurden wieder kleiner und von oben sah die Welt ganz anders aus. Es machte „ding dong“, und die Anschnallzeichen im Flugzeug gingen wieder an. Ich dachte, wir würden gleich wieder landen, doch es fing an zu wackeln. Das Flugzeug tanzte nun im Himmel, mir kam es so vor, als würde ich in einer großen Schaukel sitzen, und es gefiel mir und ich schrie: „Mehr! Mehr!“

Da wurden die anderen Leute im Flugzeug sauer auf mich, weil sie es nicht lustig fanden.
Nach 20 Minuten landete das Flugzeug sicher auf dem Flughafen in Barcelona (BCN), das ist in Spanien und aus diesem Land kommt die Sprache Spanisch her.
Ich besuchte eine Taube und fragte sie nach Esmeralda Lucia, doch sie antwortete: „Du musst weitersuchen, du darfst nicht aufgeben.“ Also gingen die Suche und die Weltreise weiter.