Margiana – diese historische Landschaft im Osten Turkmenistans war vor rund 4.000 Jahren die Wiege einer faszinierenden Hochkultur der Bronzezeit. Zeitgleich mit den Zivilisationen Mesopotamiens und Ägyptens blieb sie in der westlichen Welt bislang jedoch weitgehend unbekannt. Erstmals außerhalb Turkmenistans werden in einer groß angelegten Sonderausstellung im Neuen Museum die archäologischen Zeugnisse dieser geheimnisvollen Kultur einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Für die Aufnahmen der archäologischen Stätten, Landschaften, Menschen und Exponate konnte die Fotografin Herlinde Koelbl gewonnen werden. Das Ergebnis ist eine faszinierende Symbiose aus unbekannten archäologischen Relikten und Fotokunst aus einem weitgehend unbekannten Land.

Turkmenistan ist der südlichste Staat Zentralasiens. Das Land grenzt an den Iran, Afghanistan, Usbekistan, Kasachstan und im Westen an das Kaspische Meer. Landschaft und Natur sind größtenteils von der Karakumwüste und im Süden von den Bergen des Kopet Dag geprägt. Im 20. Jahrhundert galt das Land als die ärmste Republik der Sowjetunion. Durch reiche Vorkommen an Erdöl und Erdgas unterliegt das heutige Turkmenistan einem Wandel, der sich besonders in der raschen Veränderung der Städte und der Infrastruktur äußert – ein unbekanntes Land zwischen Tradition und Moderne.

In der Vergangenheit war das Gebiet Turkmenistans ein Zentrum der Hochkultur, angebunden an die Vorläufer der Seidenstraße zwischen China, Indien, dem Iran und dem Vorderen Orient. Alexander der Große erreichte das Gebiet im 4. Jahrhundert v. Chr. auf seinem Weg nach Indien. Im 2. Jahrhundert n. Chr. errichteten die Parther ihre Hauptstadt in Alt-Nisa nahe der heutigen Hauptstadt Aschgabat. Ein weiteres bedeutendes Zentrum entwickelte sich weiter nördlich in der Oase Merw, die heute wie auch Nisa zum UNESCO-Welterbe zählt. Seine erste Blüte erlebte Turkmenistan aber schon vor mehr als 4.000 Jahren, als das Reich von Margiana seine prachtvolle Blütezeit erlebte.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die sensationellen Ergebnisse der archäologischen Forschungen, die in der antiken Metropole von Gonur Depe unweit Merw durchgeführt wurden. Dabei freigelegte Baustrukturen lassen noch heute eine beeindruckende Meisterleistung früher Stadtplanung erkennen. Von einem gewaltigen Mauerring umschlossen, war die 28 Hektar große Stadtanlage in verschiedene Bezirke eingeteilt, darunter Wohnareale, Handwerkerviertel und Friedhöfe. Das Herzstück bildete ein quadratisches Palastareal, das durch mit Türmen bewehrten Mauern befestigt war.

Die Glanzlichter der Ausgrabungen sind ohne Zweifel die sogenannten „Königsgräber“ – mit feinsten Mosaiken ausgeschmückte Grabhäuser, in denen die verstorbenen Würdenträger prunkvoll zur letzten Ruhe gebettet wurden. Reich verzierte, mitsamt den Zugtieren beigegebene Prunkwagen, Schmuck, Waffen, Ritualgeräte sowie prachtvolle Gefäße aus Silber und Gold stellen einzigartige Meisterwerke bronzezeitlicher Handwerks- und Goldschmiedekunst dar.

Doch auch die Funde aus dem Stadtgebiet sprechen für sich: Exotische Objekte und Materialien belegen Fernkontakte bis in das Industal im heutigen Pakistan, zu den Hochkulturen Mesopotamiens, nach Syrien, in den Oman sowie bis in die fast 2.000 km nördlich gelegenen Steppen des Uralgebiets.

„Margiana“ ist weit mehr als eine archäologische Ausstellung. Im Januar 2018 begleitete die renommierte Fotografin Herlinde Koelbl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums für Vor- und Frühgeschichte zwei Wochen lang in Turkmenistan, und näherte sich dabei erstmals in ihrem Schaffen archäologischen Spuren an. Entstanden sind faszinierende Fotoaufnahmen eines Landes und seiner Bewohner, eindrucksvoller Naturlandschaften sowie archäologischer und historischer Denkmäler, die es in dieser Form bisher nicht gab. Auf diese Weise betritt die Ausstellung Neuland und bietet einen ungewohnten, spannungsreichen Bogen von den Spuren einer frühen Zivilisation jenseits des Kaspischen Meeres hin zum Schaffen der modernen Fotografie.

Im Anschluss an die Präsentation im Neuen Museum wird die Ausstellung in Hamburg und Mannheim zu sehen sein.