Oft werden Schriftsteller als Künstler oder Helden gefeiert, aber auch werden sie als Übeltäter oder Staatsfeinde verurteilt, wenn sie Fakten der Realität thematisieren, in dem sie Kritik über eine Gesellschaft oder eine Problematik ausüben. Dafür haben sich sogar Regierungen mit Gesetzen ausgerüstet, in der Hoffnung, keinen kritischen Stimmen ausgesetzt zu sein.

Die großherzige Absicht eines Schriftstellers ist es jedoch, den Lesern die Möglichkeit zu geben, wie sie einen bestimmten Konflikt untersuchen können. Dabei wird die Problematik bereichert, denn jeder neue Ausblick, wie es oft mit Kunstwerken passiert, ergibt nicht nur eine andere Perspektive sondern auch neue Erkenntnisse, Analysen, Vorschläge, Informationen und Hypothesen.

Der Romancier wird froh sein, wenn sein Werk anders und immer wieder erneut erfasst wird. Aus meiner Sicht ist es der Grund des Schreibens, wenn der Autor auf den Pflaster die Würfel der Mehrfachauswahl wirft, als wäre er ein Magier, der aus der bunten Papiertüte mehrere glänzende Objekte ausschüttet.

Allerdings ist diese Vielfältigkeit nicht immer willkommen. Im Gegenteil; sie ist Grund für Streitereien, Provokationen und dekadente Beurteilungen, die uns die wahre unterste Ahnungslosigkeit der Kritiker entgegen bringen. Aber wofür und warum brauchen wir eine solche große Auswahl an Blickwinkeln eines Kunstwerkes? Die Frage ist sicherlich nicht einfach zu beantworten.

An erster Stelle müssen wir darauf hinweisen, dass der literarische Effekt mit einem Hintergedanken verknüpft ist. Beide funktionieren nicht selbständig und wiederum zusammen sind sie nur ein Teil der Strategie des Kunstschreibers. Jedoch ist das nur ein Teil seiner Aufgabe.

Die Elemente, Effekt und Hintergedanke, dienen stets sowohl der Strategie infolge der Sprache, als auch Segmenten der Handlung. Da der Leser dafür eine anspruchsvolle Kapazität bräuchte, um beide Elemente verstehen zu können, beschränkt sich seine Perspektive nur auf den Effekt.

Der oder die Hintergedanken des Romanciers werden doch immer präsent bleiben als hätten wir eine Schar bewegender Belange.

Dabei spielt die Berufung des Schriftstellers eine große Rolle, denn wenn es sie nicht gäbe, würde er seine Handlungen, Stimmen, Helden und Schurken für den freien Fall der Fantasie nicht erschaffen können. Er ist der Einzige, der aus moralischen Gründen selbst für die Wesenheit seiner Hingabe die Verantwortung übernimmt. Wenn die grundlegenden Säulen der ernsten Literatur nicht verstanden werden, sollte man mit einer prekären Rezension rechnen.

Durch all diese Fakten geht ein Kunstschreiber, bevor er sich überhaupt mit dem leeren Blatt konfrontiert. Der gestalterische Gang, der mit einem endgültigen Roman endet, ist lang und steinig.

Auf dem Weg muss der Künstler gerade erfinderisch eine Struktur aufbauen, die während des Lesens nicht zerfallen sollte. Es heißt nicht nur, den Leser in einer gewissen Art abhängig machen zu müssen, sondern auch ihm eine geplante Dosierung der Informationen, Beschreibungen und schicksalhaften Situationen zu verabreichen. Aber wenn die Figuren nicht richtig entwickelt sind, werden sie nicht in der Lage sein, eine gewisse Aktion oder Aufgabe ausführen zu können.

Im wahrsten Sinne des Wortes hat der Schreiber die Aufgabe, die Figuren in der Wirklichkeit der Fiktion zu gestalten, so dass er für den Leser den Eindruck bereitet, die fiktionale Situation sei real. Und so erreicht er ein wichtiges Element in der Statik des Romans; die Glaubwürdigkeit.

Diese Reihe der Elemente spielt eine wichtige Rolle, denn der Autor wird selbst spüren, dass seine Bemühung, in jedem Handlungsspielraum einen anderen Glanz gegeben zu haben, sich ausgezahlt hat. Wenn er am Ende sein Werk analysiert und sich mit allen Persönlichkeiten seiner Leser verkleidet, um den Text aus allen annehmbaren Blickwinkeln betrachten zu können; dann fängt er tatsächlich an zu überprüfen, ob die Zeit, die er investiert hat, mindestens ein Teil der Textinterpretationsreihe der Leser erreicht hat.

Selbstverständlich sind Romanciers heutzutage nicht gut angesehen. In Zeiten, in der Kommunikationselektrogeräte viel wichtiger sind als Texte, überlebt die Literatur nur am Rande der Gesellschaft. Immer mehr sind Menschen wenig begeistert, ein Buch zu lesen. Andererseits sind Denker, die auch Schriftsteller sein mögen, für einen Staat unerwünschte Gestalten, die die Ruhe oder Ignoranz des Volkes aufwecken können. Aus diesem Grund sind sie die gefährlichsten Bürger einer Bevölkerung. Trotzdem haben wir in der Geschichte unserer modernen Zeiten Schriftsteller gehabt, die den Mut gehabt haben, sich ihrem Land oder der Umgebung gegenüber kritisch geäußert zu haben.

Als Beispiel nehmen wir Alexander Solschenizyn; der übermütige russische Schriftsteller schrieb über die Zustände und Verhältnissen in der Sowjetunion; das Leben eines Häftlings in einem Arbeitslager, Teil des Zwangsarbeitssystems, ist sicherlich nicht einfach zu beschreiben. Jedoch berührt uns Solschenizyn mit Details des Alltags und vor allem mit der Beschreibung der Atmosphäre bzw. des Verhältnisses zwischen Gefangenen und Wachen, die uns an die Romane von Levi oder Kertész erinnern. Die Schurken der Realität, aus der Sicht der Opfer, sind auch menschlich. Solschenizyn schreibt ohne Vorwürfe und gibt uns den Eindruck, dass die Nächstenliebe in solchen Situationen der Überlebensgrund ist.

Der italienische Autor, Dino Segre, schrieb auch über Themen, die zu seinen Zeiten tabú waren. Allerdings nicht als Apologie. Er bewegt sich im Spektrum der freien Fiktion und versucht den Lesern eine möglichst nähere Verhaltenserklärung des Heldens und der ganzen Situation nachzubilden. In „Der falsche Weg“ verliebt sich ein Jurastudent in ein herzloses Mädchen und in „Kokain“ ist der Journalist Tito Arnaudi für frei erfundenen Skandale in seinen Artikeln verantwortlich, die er an Tageszeitungen verkauft. Dies ermöglicht uns Segre, in dem er eine zynische Sprache und einen eigenartigen Ausblick durch das ganze Werk erstrecken lässt.

Ein weiteres Beispiel ist Adam Zagajewski. Der in Lwiw geborene polnische Schriftsteller, war ein Dorn im Auge in Zeiten der Polska Rzepoczpolita Ludowa (Polnische Volksrepublik) und musste auswandern. Sein Werk aber, blieb oder bleibt immer noch unantastbar, was Kritik und Widerstand eines Schreibers angeht.

Zagajewski lebt und ist ein Teil der Geschichte. Seine Werke sind ein klares Muster für die Kraft des Wortes. Auf der ganzen Welt wurden viele andere Schriftsteller zensiert oder indiziert. Seine Essays, Romane oder Erzählungen dürfen nicht mehr offiziell erscheinen und sind praktisch Dauerverbot.

Viele dieser Autoren hatten Erlebnisse, Begegnungen oder einfach rein zufällige Verbindungen zu bestimmten Persönlichkeiten, welche für einige Staaten gegnerische Doktrinen vertreten. Der Grund deren Manuskripte war, darüber berichten zu wollen. Sie hatten auf keinen Fall die Absicht, Menschen aus einer politischen oder gesellschaftlichen Erstarrung zu erwecken, sondern sie wollten einfach die recht volle Kraft der Ereignissen in einem literarischen Format dokumentieren, was völlig legitim auf der unendlichen Vorstellungsvermögenswelt der Romanciers ist.