Eines Tages traf ich ein paar Freunde in einer kurzen Runde. Einer von ihnen sagte mir; er könne sich nicht vorstellen, wie Schriftsteller in der Lage seien sich in die Haut verschiedener Figuren hineinzuversetzen. Im ersten Augenblick konnte ich mit der Behauptung nicht so viel anfangen. Allerdings überlegte ich ein paar Wochen später in der Ruhe des Nachdenkens; was es eigentlich bedeutet und ob er überhaupt Recht hatte.

Der Weg eine Geschichte zu schreiben, in der mehrere Figuren eine Rolle spielen, hinterlässt bei vielen Analytikern den Eindruck, diese seien nicht realistisch. Was der Leser aus dem Freundeskreis in Wirklichkeit äußerte, ist vollkommen gültig; denn grundsätzlich war gemeint, wie ein fremdes Wesen, der Schöpfer, in einer erfundenen Realität interagieren kann. Darüber hatte ich mir gar keine Gedanken gemacht. Der selbst erteilte Auftrag eines Romanciers ist gerade dieser, sich mit verschiedenen Häuten auseinanderzusetzen. Es bedeutet für ihn, bei jeder Aktion und jedem Verhalten der Figur eine gewisse Verbindung zu spüren, bei der der Künstler das harte oder sanfte Schicksal seiner Geschöpfe fühlt.

Wie ich bei der Artikelreihe dieser Thematik (siehe:Die Macht der Figuren, Oktober 2018) darüber geschrieben hatte: literarische Gestalten sind ein Teil des Romanmechanismus und hängen harmonisch mit der Entwicklung der Spannung zusammen. Das ursprüngliche Anliegen hieß, wie der Kunstschreiber in der Lage sei, sich im Namen seiner künstlichen Wesen, freuen, ärgern, pöbeln, streiten und töten zu können. Das was für einen Romancier eine Selbstverständlichkeit ist, namentlich sich mit anderen Stimmen auszudrücken, mag für Leser eine abstrakte Gelegenheit sein, die sie aus dem logischen Verstand bringen lässt. Dieses Attribut gehört zur Natur des Künstlers und ist genauso mysteriös wie sein Beweggrund über bestimmte Themen zu schreiben (siehe: Der Übergang zwischen Realität und erfundener Welt, August 2019).

Aber wie entsteht denn so etwas? Im wesentlichen Merkmal des Schreibers liegt die Eigenschaft in verflochtener Form über Engel und Dämonen zu schreiben. Jedoch ist es kein Zufall, sondern der Bezug auf ein oder mehrere Ereignissen seines Lebens oder die Entwicklung eines Feingefühls.

Beim ersten Punkt spielt eine große Rolle, wie ausgeprägt die Kindheit des Romanciers war und welche Charaktere innerhalb der Familie und des Freundeskreises er zu bewundern hatte. Denn letztendlich waren sie - perfekt oder imperfekt, gewalttätig oder friedlich, aufrichtig oder zynisch, hysterisch oder ruhig - die ersten Figuren, die er interagierend kennen lernte. Je nach Verbindung und Lebensabschnitten, wird der Schreiber seine eigene Analyse durchführen, in dem er das Gute und Böse der Persönlichkeiten ganz auseinander trennt, um später daraus den Grund eines bestimmten Verhaltens zu verstehen. Oft findet er keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Hintergrund und Verhalten, so dass der Wiederaufbau der Figuren mühsamer wird. In Wirklichkeit findet der Kunstschreiber in seinen ersten Jahren das ganze Spektrum der Gefühle in der engsten Umgebung. Der Eindruck wird ihn so beeinflussen, dass er davon fasziniert sein wird. Mit Sicherheit sind die Lebensereignisse ein Ausgangspunkt bei vielen Künstlern. In diesem Fall kann sich ein Schriftsteller mit dieser Materie befassen und somit seine Arbeit bereichern.

Im zweiten Fall, wenn ein Feingefühl entwickelt wird, sind die kräftigen Bilder einer Begegnung mit wahren Personen, wie im ersten Fall, nicht vorhanden. Das heißt; der Romancier lernt das Spektrum seiner künftigen Figuren über längere Zeit in regelmäßigen Abständen, bei denen die Neugier wächst, mehr davon zu erforschen, kennen. So versucht er mit einem optimierten Feingefühl und durch einen akribischen Beobachtungsprozess, mit Informationen die Profilmuster zu vollenden. Bei der Bearbeitung ist es äußerst wichtig, woher er die Figuren nimmt. In der Regel sind sie aus der engsten Umgebung, allerdings wird der Ausbau seiner Helden schneller und der seiner Schurken langsamer – oder vielleicht umgekehrt. Die Zeit, die sich ein Schriftsteller dafür nimmt, ist mehr als wertvoll. Er weiß ziemlich genau; dadurch kompiliert er die Gefühle (Wut, Angst, Freude, Trauer oder Zorn) für seine Geschöpfe, die in späteren Geschichten eine Rolle übernehmen werden. Jedoch die Datensammlung ist nur ein Teil des Prozesses. Nachträglich muss er Argumente analysieren und Proben machen, in denen er sie beispielsweise in einem Dialog agieren oder reagieren lässt, als seien sie das, wofür sie gedacht waren. Dadurch prüft er auf Herz und Nieren, ob seine Figuren tatsächlich sind, was sie werden sollten.

An dieser Stelle ist noch zu erwähnen, dass gegenteilige Charaktere in dem Szenario eine bestimmte Mission haben und zwar zu bestätigen, dass Menschen durch Zuneigung oder Abneigung im realen Leben interagieren. Künstliche Geschöpfe finden einen gemeinsamen Raum nur in den erfundenen Welten des Romanciers, dürfen sich dort mit der Freiheit des Willens für das Gute oder das Böse entscheiden, um moderat oder übertrieben zu werden.