Meine Freundin Claudia nimmt ihren diesjährigen Neujahrsvorsatz sehr ernst: 2012 möchte sie die große Liebe finden und nicht wieder verlieren!. „Du hast es ja leicht in Italien“, sagt sie mir seit Jahren, „bei der Auswahl an attraktiven Männern wäre ich auch schon lange verheiratet!“ Claudia, 38 Jahre, Kinderärztin und seit zwei Jahren unfreiwillig Single, lebt allerdings in Wien.

Nach langem Auf-und Verschieben eines gemeinsamen Wochenendes in der Toskana stehe ich nun endlich am Bahnhof in Florenz, um sie abzuholen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ihr Besuch nur teilweise ihrer alten Freundin und Studienkollegin gilt, da ihr Hauptanliegen das Kennenlernen eines italienischen Mannes ist, aber meine Freude ist dennoch groß, als ich sie aus dem Nachtzug aussteigen sehe. Claudia spricht aufgrund zahlreicher Sprachferien ziemlich gut Italienisch und ist durchaus in der Lage, sich in Italien verständlich zu machen. Ich sehe sie schon von weitem, wie sie freundlich einem alten Herrn zunickt, der ihr mit ihrem prallgefüllten Koffer behilflich ist. Schon nach der Begrüßung meint sie mit schmachtendem Blick in den Augen: „Ach, die Italiener sind so charmant, die wissen noch, wie man eine Frau verwöhnt!“ Nach zehn Jahren in Italien und fünf davon verheiratet, stehe ich dieser Aussage schon etwas differenzierter gegenüber. Da ich Claudias Vorfreude aber nicht zerstören möchte, halte ich meine Meinung diplomatisch zurück.

Schon am selben Abend ist meine Freundin zu einem Aperitivo in einer der bekanntesten Bars der Innenstadt bereit. Sie hat sich mit einem schwarzen Minikleid und dazu passenden Schuhen mit hohem Absatz richtig herausgeputzt und zieht auch wegen ihrer roten, gelockten Haare viele Männerblicke auf sich. Ich selbst verblasse daneben in Jeans und Pullover, aber mein Neujahrsvorsatz war auch ein ganz anderer. Schon nach kurzer Zeit haben wie am kalten Buffet Mario, Pietro und Luigi kennengelernt, eine sympathische Männerrunde, die dieses Lokal jeden Donnerstag aufsucht. Claudia ist im siebten Himmel und scheint gar nicht zu wissen, mit wem sie zuerst flirten soll. Der schwarzgelockte Mario bringt ihr schon den dritten Cocktail, der intellektuelle Pietro unterhält sie mit Informationen über das Kulturprogramm der Stadt und Luigi, der einen Ehering am Finger trägt, bietet ihr nach knapp einer Stunde seine Handynummer mit den Worten an:“ Ruf mich heute nach 23. Uhr an!“ Gegen 22 Uhr hat Claudia durch die Stimmung und den Alkohol erheitert noch zwei Geschäftsmänner aus Mailand kennengelernt und verlässt das Lokal mit vier Telefonnummern, vielen Komplimenten und Wünschen nach einem baldigen Wiedersehen.

Am folgenden Nachmittag, während ich mit meinem Mann das Haus aufräume, höre ich meine Freundin eifrig in ihr Handy tippen und mehrere Nummern wählen. „ Zwei haben nicht abgenommen, Luigi hat mir gesagt, dass er heute schon etwas vor hätte und Pietro klang so, also würde er sich nicht an mich erinnern, erzählt mir Claudia mit merklicher Enttäuschung in der Stimme.

Wieder erspare ich ihr meinen Kommentar, dass ich das schon geahnt hätte, da man sich auf italienische Machos dieser Art eben nicht verlassen sollte. Stattdessen tröste ich sie mit einem Ausgang in die Pizzeria mit einem befreundetet Paar und deren unverheiratetem Bruder Nico. Das Treffen habe ich organisiert, in der Hoffnung, dass Claudia an dem gut situierten und durchaus sympathischen Nico Gefallen finden würde. Der Abend verläuft harmonisch und auch das potenzielle Paar scheint sich gut zu unterhalten. Nach dem Essen verlässt mich Claudia zusammen mit Nico, um noch etwas trinken zu gehen und ich freue mich riesig für sie und über meine Verkupplungskunst.

Am nächsten Morgen erwarte ich gespannt Claudias Bericht und kann meine Neugierde kaum mehr zurückhalten. „Und?“, rufe ich, als sie mit verschlafenem Gesicht gegen 10 Ihr unsere Küche betritt. „Er war sehr, sehr nett, murmelt Claudia, mit einem seltsamen Unterton in der Stimme, bis etwa Mitternacht. Dann hat er einen Anruf von einer Frau bekommen und mich mit den Worten „ Es tut mir sehr leid, aber ich werde dringend erwartet“, einfach in der Bar zurückgelassen. Er hat mir nicht einmal seine Nummer gegeben!“ Claudia scheint diesmal sehr betroffen vom Verhalten der italienischen Männer zu sein. Erst nach einem Einkaufsbummel durch die Innenstadt kehrt ihre gute Laune langsam zurück und zu meinem Erstaunen möchte sie den letzten Abend mit mir und meinem Mann zu Hause verbringen. Gegen 22 Uhr läutet plötzlich Claudias Handy. Es ist Luigi, der sie zu einem Getränk zu sich einladen möchte. „Meine Frau ist übers Wochenende vereist“, sind seine begleitenden Worte, die selbst ich durch das Gerät durchhöre. Claudia ist durch so viel Offenheit vor den Kopf gestoßen und wehrt heftig ab.

Ziemlich früh zieht sie sich mit einem Buch in ihr Zimmer zurück, um sich für die baldige Rückreise nach Wien auszuruhen. Der Wunsch nach einer Liebe in Italien konnte an diesem Wochenende leider nicht befriedigt werden, aber Claudia versichert mir, dass sie die Tage mit mir sehr genossen hätte und dass Männer ja vollkommen unwichtig in ihrem Leben seien.

Etwa zwei Monate später erreicht mich ein Anruf aus Wien. Ich bemerke sofort am aufgeregten Stimmton meiner Freundin, dass sie spannende Neuigkeiten für mich hat. „Ich habe bei einem Ärztekongress Tommaso kennengelernt“, erzählt sie. Seine Eltern kommen aus Italien, er selbst lebt aber schon seit 10 Jahren in Wien. Er ist ja so ………“Charmant“ vollende ich ihren Satz mit einem gewissen Lächeln auf den Lippen. „Ja, sagt sie, genau. So, wie eben nur Italiener sein können!“

Ich wünsche Claudia, dass sie ihrem Neujahrsvorsatz treu bleiben und eine anhaltende Beziehung mit ihrem immigrierten Italiener aufbauen kann. Wie ich meine Freundin kenne, wird sie mich sicher auf dem Laufenden halten!

Text von Ute Hirschegger