Als eine der traditionsreichsten Techniken der Malerei wird die Enkaustik seit ihren Anfängen im alten Griechenland auf der ganzen Welt praktiziert. Moderne Künstler wie Paul Klee und Diego Rivera bedienten sich dieser „verlorenen Kunst“. Besonders Jasper Johns (* 1930), ein Wegbereiter der Pop Art, hat in den 1950er Jahren die Enkaustik-Malerei aus der Vergessenheit geholt und zu Beliebtheit verholfen. Auch zeitgenössische Künstler werden von dieser 3000 Jahre alten Technik inspiriert. In der Fülle der heutigen technischen Möglichkeiten und hochentwickelten Materialien, was macht die Anziehungskraft dieser fast vergessenen Technik aus?

Die Künstlerin Jennifer Cinquini (geb. Margell) erwähnt einige Gründe warum sie sich dieser speziellen Maltechnik bedient: „Enkaustik ist wie keine andere Form der Malerei, da sie unendlich viele Techniken umfasst und immer nur Sekunden vergehen, bevor das Medium erstarrt. Es ist ein Medium, bei dem Sie sich auf Ihren Instinkt verlassen und unwillkürlich malen müssen.“ (1)

Diese Techniken müssen auf einem festen Träger (Holz, Leinwand…) angewendet werden und diese sind z.B. das Erzeugen von Mischmedien durch Verwenden von Fotografien, Seide, Haaren, Faden, Lacke, Papier usw. zusammen auf einem Träger; das Erzeugen von strukturellem Hintergrund zu einem erhabenen Muster; Ritzlinien; von plastischen Objekten auf der Oberfläche; das Abschaben von Schichten, das Verwenden von Masken, das Übermalen von Laserdrucken, Fotografien und Fotoübertragungen etc.

Auch Kristy Battani erklärt warum sie diese zeitaufwendige Technik wählt: „Enkaustik-Farbe kreiert eine dritte Dimension die dem Betrachter ein Berühren erlaubt und ihn mit dem Bild verbindet. Ich möchte dass sich der Betrachter fühlt als würde er in die Oberfläche hineingezogen.“ (2)

Darüber hinaus, ihre Gedanken zur Enkaustik-Malerei: „Ich denke oft, dass das, was wir lieben, manchmal auch das ist, was wir hassen, und ich denke, das trifft auch auf die Enkaustik zu. Ich mag die Enkaustik, weil sie wirklich ihren eigenen Geist besitzt. Manchmal entsteht gerade aus einem „Fehler“ etwas ganz unvorhersehbar Schönes, und das kann man von irgendeinem anderen Medium wirklich nicht behaupten. Die Kehrseite ist, dass man Enkaustik nicht vollständig kontrollieren kann und dass man jederzeit noch etwas hinzufügen kann, was das Bild völlig verändert. Wenn man das Ergebnis nicht mag, kann man es natürlich immer wieder abschaben oder wegschmelzen, aber das kann manchmal frustrierend sein.“ (3)

Tony Sherman (* 1950), einer der wenigen Enkaustik-Künstler der realistische Bilder schafft, erzählt warum er diesen, ganz eigenen Stil gewählt hat: „Ich wollte, dass meine Malerei so realistisch wie irgend möglich ist, damit das Paradox der Oberfläche hervorkommt. Wenn Sie sich eines meiner Porträts ansehen, sind Sie ständig im Konflikt mit der Körperlichkeit der Enkaustik und der Tatsache, dass Sie eine Art illusorischen Bilderrahmen haben. Ich wollte diesen Widerspruch unterstreichen.“ (4)

Enkaustik-Malerei ist eine der ältesten Formen der Malerei, viel älter als die Ölmalerei. In der Vorstellung der damaligen Künstler wurden die eigenen materialisierten Gedanken mit Feuer unvergänglich auf der Malfläche eingebrannt. Auch das Wort Enkaustik leitet sich von dem griechischen Wort enkauston, eingebrannt, ab, dieses wiederum von enkaio, einbrennen. Diese entstand als Schiffsbauer eine Mischung aus Harz und Wachs verwendeten, um die Schiffsrümpfe zu versiegeln und zu imprägnieren. Dem Medium wurden dann farbige Pigmente hinzugegeben, was zusätzlich der Dekoration der Kriegsschiffe diente. (5)

Die berühmtesten Enkaustik-Gemälde aller Zeiten sind wahrscheinlich die aus Ausgrabungen im ägyptischen Fayum-Becken, die Mumienporträts auf Holztafeln aus dem 1. und 2. Jh. n. Chr. Durch die Einbettung der Pigmente in das Wachs wurden die Helligkeit und Farbkraft der Porträts bewahrt und diese somit „unsterblich“ gemacht.

Mit dem Niedergang des Römischen Reiches geriet die Enkaustik-Malerei in Vergessenheit. Die Enkaustik wurde in jener Zeit von weitaus weniger aufwendigeren und kostengünstigeren (Ei-)Tempora ersetzt. Tatsächlich wurde die Enkaustik so zu einer „verlorenen Kunst“. Erst im späten 18. Jh. wurde die Enkaustik vom frz. Archäologen Anne-Claude-Philippe (1692-1765), der die alten Wandmalereien und die Enkaustik-Techniken von Pompeji studierte, kurzzeitig wiederbelebt. Auch Leonardo da Vinci (1452-1519) hatte in seinen Arbeiten bereits mit der Enkaustik experimentiert, war aber nicht erfolgreich. Andere europäische Künstler, wie z.B. Vincent van Gogh (1853-1890), verwendeten Wachs in ihren Ölgemälden, um Farbschichten mit durchscheinenden Schichten voneinander zu trennen. Eines der Hauptprobleme bei der Arbeit mit Enkaustik war es, einen Weg zu finden, um das Wachs zu schmelzen. Erst im 20. Jh. revolutionierte die Erfindung der tragbaren, elektronischen Heizgeräte die Kunstform und machte die Enkaustik zu einer ausführbareren Kunstform. Dieser Umstand und der Erfolg der frühen Enkaustik-Maler waren der Anlass zu einer Wiederbelebung. Künstler, die zu dieser langlebigen Kunst beigetragen haben, waren u.a. Alfonso Ossonio (1916-1990), Lynda Benglis (* 1941), Nancy Graves (1939-1995) und Robert Morris (* 1931).

Enkaustik ist heute eine moderne, immer populärer werdende Kunsttechnik. Wachs hat viele Qualitäten, die sich im Laufe der Zeit bewährt haben, und Enkaustik ist vielleicht die dauerhafteste Form der Malerei. Bienenwachs ist unempfindlich gegen Feuchtigkeit, es ist ein natürlicher Klebstoff, der keine Insekten anzieht. Öle und Lösungsmittel können zwar im Lauf der Zeit gelb oder dunkler werden, aber Bienenwachs verändert nach dem Schmelzen seine Farbe nicht. Die Enkaustik ist, weil sie eine alte, erst kürzlich wieder hervorgeholte Technik ist, auch eine sehr spannende Alternative, da nur Sekunden vergehen müssen und man ein anderes Ergebnis vor sich hat. Da sie in den letzten Jahrzehnten auch kontinuierlich an Dynamik gewonnen hat, entspringt besonders durch zeitgenössische Künstler eine neue Kunst, da sie die technischen Möglichkeiten erforschen und künstlerisch experimentieren. In ihren Werken ist die Enkaustik, nach ihrer Wiederbelebung, ein noch relativ neues Medium, weitere Seiten ihrer langen Geschichte müssen und werden noch geschrieben werden.

Autorin Elvira Sauer

Fußnoten
(1) Jennifer Cinquini (geb. Margell) aus Jennifer Margell: Enkaustik. Parkstone Press International, New York, USA. 2013. S.7.
(2) Übersetzt aus (3) Kristy Darnell Battani aus Jennifer Margell: Enkaustik. Parkstone Press International, New York, USA. 2013. S.49.
(4) Tony Sherman aus Jennifer Margell: Enkaustik. Parkstone Press International, New York, USA. 2013. S.139.
(5) C. Heinrich Wunderlich: Enkaustische Maltechniken. Ein Versuch zur Rekonstruktion anhand von Quellen. Restauro 2/2000, München, S. 110-115.

Links
Kristy Battani - www.kristybattani.com
Karen Freedman - www.inliquid.org/complete-artist-list/freedman-karen
Carrie Goller - www.carriegoller.com
Tony Sherman - www.tonyscherman.com/frames/mainframeex.html