Die aus den von Paolo Cavinato gefertigten Objekten und den von Stefano Trevisi geschaffenen Klangbildern bestehenden Arbeiten können vor allem als eine moderne Interpretation des Dioramas verstanden werden, jener erstaunlich präzise gearbeiteten Miniaturwelten, die seit dem frühen 19.

Jahrhundert vor allem in Museen zu sehen sind, wo sie Szenen von historischer Bedeutung zeigen sollen: Das Paris des Mittelalters, die Feldzüge Napoleons, die Erschießung Lincolns. Szenen die uns unterhalten und bilden sollen. Die Arbeiten von Spazio Visivo aber scheinen auf etwas zu verweisen das uns näher ist. Sie zu erforschen ist immer auch ein Wagnis.

Wir treten in der Sicherheit an die Werke von Spazio Visivo heran, dass ihre Welten unseren betrachtenden Blicken ausgeliefert sind. In der Art und Weise wie Cavinato und Trevisi etwas einzufangen scheinen in den oft boxenförmigen Arbeiten, unterstreichen sie zunächst das Objekthafte des Werkes und damit letztlich die Trennung zwischen dem Betrachter und dem was im Innern der Werke geschieht -- ganz so als wären sie nur Anschauungsmaterial.

Wir wagen die Nähe zu den Arbeiten, weil wir glauben etwas entdecken zu können ohne dabei aber selbst entdeckt zu werden. Es ist nun der zentrale Moment in den Arbeiten des Künstlerduos, in dem wir begreifen, dass wir uns getäuscht haben. Jene Szenen, an die wir uns so nah heran gewagt haben, sind uns seltsam vertraut, wie das fast alltäglich anmutende Arrangement des Zimmers in der Arbeit Souvenir de Voyage -- ein Werk das sich an Bildern der gleichnamigen Serie René Magrittes orientiert. Wie Magritte, so arbeiten auch Cavinato und Trevisi mit Momenten einer traumähnlichen Verfremdung. Doch trotz der Unwirklichkeit des Dargestellten verweisen die Szenerien und Klangbilder immer auch auf eine Ebene des Hier und Jetzt. Intuitiv begreifen wir, dass der Blick auf nichts Fernes oder Fremdes fällt, auf keine längst vergangene Szene, die nichts mit uns zu tun haben kann - nie so fern, dass wir uns einfach distanzieren könnten, nie so fremd, dass wir uns nicht fragen müssten, ob das Gesehene nicht auch uns berührt.

Oft wirken die Arbeiten so, als wollten sie eine Geschichte erzählen und einen Moment einfangen, in dem etwas in der Luft zu liegen scheint. Die Klangbilder von Stefano Trevisi rücken hier in den Vordergrund der Arbeit, indem sie das Werk zu einem Ort des Geschehens formen. Die Arbeiten fordern uns nun heraus die angedeutete, noch unklare Geschichte zu ergründen; das Versteckte zu erschließen. Das Risiko -- wir ahnen es -- besteht darin, dass wir in den geheimnisvollen Räumen von Spazio Visivo zu viel entdecken.

Wie nah also wollen wir diese Welt an uns heran lassen? Wie sehr wollen wir die Szenen ergründen und ihr Eigenleben erforschen? Und so ist jeder neugierige Blick in die Arbeiten von Spazio Visivo zunächst ein Spiel mit unseren Erwartungen, eine Herausforderung an uns. Wenn wir das Diorama als materialisierte Form des Erinnerns begreifen, so können wir auch in den Arbeiten von Spazio Visivo den Anklang eines Erinnerns finden -- nur persönlicher.

Wie die eigenen Erinnerungen sind die Arbeiten von Spazio Visivo immer Rätsel und Lösung zugleich, immer die Bewahrung von etwas und dessen Verschleierung, immer schwankend zwischen real und unwirklich. Und wir treten ihren Welten gegenüber wie einer verschwommenen Erinnerung, bei der wir uns nie sicher sein können, ob wir sie in ihrer Gänze ergründen können oder gar wollen. Das Narrativ zu einem Diorama ist immer klar, jenes zu einer Arbeit von Cavintao und Trevisi aber nie.

In den Arbeiten Threshold und Into the Object #1 - Table wird die Idee des Dioramas in ihre Auflösung überführt: Nicht länger sind die von den Werken markierten Räume klar von den unseren getrennt. So ist das Arrangement aus Stühlen und einem Tisch bei Into the Object #1 - Table nicht mehr als entrückte Miniatur-Version zu sehen wie in Souvenir de Voyage, sondern als Teil des Raumes in dem auch wir uns bewegen. Daran anknüpfend schafft das physische Betreten der Arbeit Threshold einen komplexen Spannungsmoment innerhalb der Ausstellung: Die Konstruktion der Arbeit ermöglicht uns symbolisch so wie auch ganz real eine Form der direkten Zugänglichkeit. Das wir uns dabei immer nur selbst begegnen und sogleich auch wieder verlieren ist kein Zufall. Vielmehr finden wir hier die fast logische Schlussfolgerung einer Ausstellung die uns immer wieder dazu auffordert, in ihren Werken auch der komplexen Architektur unserer eigenen Erinnerung nachzuspüren und dem Ringen um ihre Erschließung.

Paolo Cavinato wurde 1975 in der Provinz Mantua geboren. Er ist Mitglied der Königlichen Britischen Gesellschaft für Bildhauer in London. 2006 wurde Cavinatos Arbeit auf der Istanbul Biennale gezeigt. Cavinato erhielt 2008 den Preis für den dritten Platz bei der Arnaldo Pomodoro Stiftung und wurde kürzlich für die Teilnahme am “The Swatch Art Peace Hotel Guest Artist Program” in Shanghai ausgewählt.

Stefano Trevisi wurde 1974 in Mantua geboren. Seine Arbeiten wurden von RaiTrade veröffentlicht und international aufgeführt: u.a. bei RaiNuovaMusica, beim Traiettorie Festival, der Biennale Musica (Venedig), dem MATA Festival (New York) und in der Alten Schmiede (Wien). Seine Kompositionen wurde bei mehreren Wettbewerben ausgezeichnet, so u.a. beim 29., 33. Internationalen Wettbewerb der Elektroakustischen Musik Bourges (Ehrenhafte Erwähnung), dem Gaudeamus Musik Preis 2002 (Amsterdam), und 2003 und 2006 mit dem Franco Evangelisti Preis (Rom).

Im Jahr 2006 begannen Cavinato und Trevisi ihre Zusammenarbeit mit „Spazio Visivo“ (Sicht-Raum), einem Projekt in dem Cavinatos Skulpturen mit Trevisis Klängen in Dialog treten. Die Objekte der beiden entstehen aus verschiedensten Materialien und unter Zuhilfenahme von elektronischen Instrumenten und multimedialen Komponenten. Ihre Installationen wurden international ausgestellt. Hervorzuheben sind unter anderem: die Königliche Britische Gesellschaft für Bildhauer in London, der Palazzo delle Arti in Neapel, Egmont Park in Brüssel, die Galerie Rosenfeld-Porcini in London, das CIAC Museum in Rom, der Palazzo Libera in Trient, das Festival della Creatività in Florenz, der Palazzo Te in Mantova. Ihre Arbeiten kamen in die Endauswahl beim 36. Internationalen Wettbewerb der Elektroakustischen Musik in Bourges, beim Art in the City-Preis (Brüssel), beim Ettore Fico- Preis (Rom) und beim Aletti ArtVerona-Preis.

Manuel Wischnewski

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