Die Kunstsammlungen Chemnitz – Museum am Theaterplatz zeigen vom 1. Dezember 2012 bis 3. Februar 2013 die Ausstellung Mario Nigro. Werke 1952 – 1992. Nigro (1917 - 1992) ist einer der bedeutendsten Vertreter der geometrischen Abstraktion in Italien. In der Ausstellung werden rund 32 großformatige Arbeiten aus den letzten vier Jahrzehnten seines Schaffens gezeigt. Die Retrospektive - kuratiert von Francesca Pola – wird, 20 Jahre nach dem Tod des Künstlers, in Kooperation mit dem Archivio Mario Nigro realisiert.

Nachdem Germano Celant 2009 ein Werksverzeichnis herausgegeben hatte, wird dem Künstler nun mit den zweiunddreißig ausgewählten Werken auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zum ersten Mal eine Retrospektive gewidmet, die die Komplexität und Originalität seines künstlerischen Schaffens unterstreicht. Mario Nigro hat in der Nachkriegszeit neue Bildsprachen entwickelt und sich durch die unermüdliche Auseinandersetzung mit den komplexen Systemen der Malerei einer internationalen Perspektive geöffnet. Seine „radikale Grundhaltung gelangte“, wie Francesca Pola schreibt, „schon Ende der vierziger Jahre zur Reife, in derselben Zeit, in der auch Alberto Burri mit seinen Materialassemblagen, Lucio Fontana mit seinem mehrdimensionalen, experimentellen Raumkonzept, Giuseppe Capogrossi mit seinen unverwechselbaren Zeichen und Emilio Vedova mit seinem abstrakt-expressionistischen Malgestus zu ihrem ganz eigenem Ausdruck fanden. Nigro ging zu den Ursprüngen der ungegenständlichen Kunst zurück“ und schuf eine künstlerische Sichtweise, die „sich dem Atem des Seins selbst nicht deskriptiv, sondern umfassend annähert, um in seinen Werken die Dramatik unserer Zeit, die Kontinuität ihrer Beziehungen und ihre Grenzenlosigkeit lebendig werden zu lassen.“ Charakteristisch für Nigros Bildsprache ist die „Poetik einer unermüdlichen Suche nach Erkenntnis und Ausdruck, die seinem gesamten künstlerischen Schaffen zugrunde liegt.“ Diese Suche soll in ihrem Entwicklungsgang durch die ausgewählten Werke veranschaulicht werden.

Im ersten der vier großen Ausstellungsräume werden die Werke des Künstlers vorgestellt, die er in dem ihm gewidmeten Raum der XXXIV. Biennale di Venezia im Jahr 1968 gezeigt hat. Es handelt sich um dreidimensionale Werke an der Wand und auf dem Boden, darunter Dallo spazio totale 1954: 4 colonne prismatiche a progressioni ritmiche simultanee (passaggio psicologico) (Aus Totaler Raum 1954: 4 prismische Säulen in simultanen rhythmischen Progressionen [psychologischer Übergang]),1966 (4-teilig, je 284x28x28 cm), Dal tempo totale: traliccio a rombi progressivi simultanei (Aus Totale Zeit: Gitter aus simultanen progressiven Rauten), 1967 (46,5x293x4 cm) und Le stagioni (Die Jahreszeiten), 1967-68 (4-teilig, je 300x12x4,5 cm). Im selben Raum sind auch fünf Bilder aus der Serie „L’incontro“ (Begegnung) (jeweils 200x200 cm) zu sehen, die zum Zyklus „Tempo totale“ gehören und 1973 auf der X. Quadriennale Nazionale d’Arte in Rom ausgestellt waren. Diese Werke beschäftigen sich mit der psychologischen Dynamik der menschlichen Beziehungen im realen Raum des Lebens. Zu sehen ist hier außerdem das Werk Dalla metafisica del colore: i concetti strutturali elementari geometrici, Ettore e Andromaca (Von der Metaphysik der Farbe: die strukturellen, elementar geometrischen Konzepte, Hektor und Andromache) (10-teilig, je 178x68 cm) von der XXXVIII. Biennale di Venezia 1978. Hier evoziert Nigro allein durch die Entfaltung einer Linie als Strukturelement auf der Leinwand grundlegende menschliche Gefühle und Lebenssituationen, um „das Gefühl der Liebe, das Opfer und den Abschied aus einer der berühmtesten Szenen der antiken Epik zu visualisieren“.

Der zweite Raum stellt Werke aus dem Zyklus „Pannelli a scacchi“ (Schachbretterbilder) vor, darunter Scacchi (Schach), 1952 (146x116 cm), auf denen der Künstler Farben und Formen erkennbarer geometrischer Muster durch unauflösbare perspektivische Fluchten in Bewegung bringt und damit unverkennbar sowohl auf den Neoplastizismus von Piet Mondrian als auch auf die abstrakt-expressionistische Beziehung von Farbe und Emotion bei Wassily Kandinsky anspielt. Im selben Raum auch das Werk „Pittura: fuga (Malerei: Fuge) […] ausgestellt, das explizit auf die Musik von Bach Bezug nimmt, der Nigro bildlichen und räumlichen Ausdruck verleihen möchte. […] Musik ist nicht bloß ein evozierendes und äußerliches, sondern ein konstitutives und konstruktives Element in der komplexen ungegenständlichen Bildsprache Nigros: Sein Ziel ist es, ihre Strukturen in eine Malerei als neuen Raum der Zukunft zu übertragen, in dem chromatisch-konstruktive Veränderungen sich wie zwischenmenschliche Handlungen und Beziehungen entfalten.“ Diese Arbeiten stehen im Dialog mit denen des Zyklus „Spazio totale“ wie Spazio totale: variazioni divergenti, simultaneità drammatiche, (Totaler Raum: unterschiedliche Variationen, dramatische Simultaneität), 1954-56 (121x150 cm) und Spazio totale: strutture, (Totaler Raum: Strukturen), 1953-56 (115x146 cm), die sich in komplexer formaler und struktureller Weise mit dem Vorhandensein unterschiedlicher Stufen und verschiedener Dimensionen von Wirklichkeit beschäftigen und sich dabei sowohl auf die Relativität in der Wissenschaft als auch auf die Tragik der menschlichen Existenz beziehen. So definieren die Werke einen neuen, eng mit der Analyse der historischen Situation der Zeit verknüpften Raum und setzen „eine umfassende Entwicklung in Gang, die nicht nur an der Oberfläche bleibt, sondern in alle Richtungen vordringen will, auch in die Tiefe des gemalten Raums, um alle möglichen Beziehungen des Kosmos auszuloten.“

Der dritte Ausstellungsraum enthält Werke des Zyklus „Spazio totale“ wie zum Beispiel Spazio totale: divergenze simultanee drammatiche (Totaler Raum: simultane dramatische Divergenzen), 1954-59 (162x127 cm) und Dallo spazio totale: reticolo nero su variazione cromo-ottica (Aus Totaler Raum: Schwarzes Gitter in chromatisch-optischen Variationen), 1954-61 (161x115 cm), wo der Grundton vom Auftrag einer einzigen Farbe bestimmt ist, ein Verfahren, das in den sechziger Jahren zur Realisierung dreidimensionaler Werke und Rauminstallationen führte. Eine Sektion ist auch der Präsentation von Originaldokumenten wie Schriften, Einladungen, Manifesten und Katalogen gewidmet, die die künstlerische Laufbahn Mario Nigros veranschaulichen.

Der Ausstellungsrundgang endet mit Werken aus den achtziger Jahren wie den Zyklen „Ritratti“ (Porträts) und „Dipinti satanici“ (Satanische Gemälde), darunter: Da i ritratti: ritratto di un dipinto (Aus Porträts: Porträt eines Gemäldes), 1988 (218x208 cm) und Da i dipinti satanici: lotta (Aus Satanische Bilder: Kampf), 1989 (218x207 cm), in denen leuch¬tendere und intensivere Farben die „Veränderungen der Welt“ auf die Leinwand bannen. Die ständige Weiterentwick¬lung seines künstlerischen Schaffens führt Nigro in den frühen neunziger Jahren zum Zyklus der „Strutture“, aus dem im vierten Ausstellungsraum zwei exemplarische Werke seiner letzten Schaffensphase vertreten sind: 6 strutture (6 Strukturen), 1991 (203x97 cm) und 25 strutture (25 Strukturen), 1992 (205x110 cm), denen er durch die Minimierung der chromatischen Zeichen eine neue universelle Dimension verleiht und sie zu „Schauplätzen der absoluten Vision eines zukünftigen Raumes zwischen Sciencefiction und Antimaterie“ werden lässt.

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