Beim ersten Anblick der Werke von Elias Wessel meint man eine beruhigende Stille wahrnehmen zu können. Dezente Farbtöne und harmonische Formen täuschen eine Ruhe vor, die sich beim näheren Betrachten jedoch in ein Schwirren von Informationen wandelt. Man kann computergenerierte Radiowellen, Radiografien aus alten Tagen oder Gemälde von verzerrten Landschaften erkennen, dennoch handelt es sich um Fotoarbeiten, die durch komplizierte und langwierige Prozesse entstanden sind.

Wessels neueste Ausstellung ‘Stuck Together Pieces!’, im Goethe House von New York zu sehen, erstreckt sich über zwei Etagen und mehreren Räumlichkeiten und beschäftigt sich mit der Darstellung der Metropole und den daraus resultierenden humanen Interaktionen unserer schnelllebigen Zeit. Der Titel spielt mit den Eigenschaften von Wessels Werken, nämlich Details, Ausschnitte oder eben Kombinationen von Faktoren des Alltäglichen neu zu präsentieren. Wessels Spiel mit den technischen Möglichkeiten und theoretischen Aspekten der Fotografie führt zu einer Ästhetik, die der Malerei sehr ähnlich ist und oft den Betrachter verwirrt.

Ein monumentales Werk (Feral 7, 2015/16) lädt am Eingang des Hauses ein sich den Farb- und Formenspielen hinzugeben. Die über zwei Meter hohe Fotografie stellt ein fresko-ähnliches Bild dar, in dem man von weitem eine Teichlandschaft erkennen könnte, bei näherer Betrachtung ähnelt es jedoch eher farbigem Moos oder einer zerrissenen Tapete. Tatsächlich handelt es sich um eine Fotografie von mehreren Schichten verwitterter Kalkablagerungen und abblätternder Farbe der unterirdischen Tunnel von New York City. Die Werke dieser Serie entstanden aus der Überlagerung von zwei gegenübergestellten Fotografien, wobei Komposition und Farbe sich gegenseitig ergänzen und sich zu neuen, biomorphen Farbfeldern entfalten. Weitere Werke sind auch in der zweiten Etage zu sehen, wobei die Fotografien direkt in die Wände des alten Gebäudes eingesetzt wurden und den Aspekt alter Gemäuer noch stärker hervorrufen.

Komplementär wirkt die Serie ‘Liebst’, die aus kleineren Werken besteht und Zeichnungen der Mathematik und Physik ähneln. Luminöse Körper stechen vor dem schwarzen Hintergrund hervor und erblühen in wunderbaren Figuren. Es handelt sich um extrem detaillierte Fotografien von Lichtreflektionen, in denen die Dynamik und Energie von Emotionen wie Hoffnung, Liebe und Synergien aufkommen.

In dieser Hinsicht stellen die Werke von Elias Wessel nicht nur eine beispiellose Neukombination verschiedener Ablichtungstechniken dar, sondern sie eröffnen auch Tore zu den Welten der Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Hinweise auf Intimität, Spiritualität, Zuneigung und Gegensätze wie Nähe/Distanz, Alt/Neu, Bewegung/Statik entfalten sich im Unterbewusstsein jener, die sich die Zeit nehmen die Werke auf sich wirken zu lassen und es erlauben in eine andere Dimension einzutauchen.

Diese ‘andere Dimension’ kann man auch in der Rauminstallation “Sprung in die Zeit” erfahren. Mehrere Werke schweben regelrecht in verschiedenen Abständen im Raum. Die geometrischen Formen der Drucke weisen tatsächlich auf eine andere historische Ära hin. Entstanden durch die Ablichtung verschiedener Schichten von Papier und transparenter Folie, erscheinen die Werke wie alte Röntgenbilder und erinnern den Betrachter hinter die Fassade der Dinge zu schauen. Betrachtet man die Werke alle zusammen, kann man eine Art Alphabet erkennen, das ganz eigene Regeln und Prinzipien hat und Sätze ohne Anfang oder Ende komponiert, jedoch ein Fenster zu anderen Dimensionen ermöglicht.

Sehr gegensätzlich wirken die Werke der Serie ‘Cityscapes’ für welche sich Wessel mit verzerrten Computerbildern beschäftigt hat, die durch Datenüberlastung digitaler Systeme zustande kommen. Die grafische Besitzergreifung und die totale Abstraktion entfalten sich in Farbkompositionen die Momentaufnahmen von Metropolen bei Nacht ähneln und die Ausstellung, gesamt betrachtet, mit genau der Energie der Großstadt erfüllt, die der kontemplativen Arbeit des Fotografen entgegensteht.

Die Ausstellung ist noch bis zum 31. Mai im Goethe House (1014 Fifth Avenue) von New York zu sehen.