Das Leopold Museum präsentiert die Kunst der Jahrhundertwende unter dem Titel „Wien 1900“.

Der Wiener Jugendstil versuchte mit der Idee des „Gesamtkunstwerks“ alle Lebensbereiche gestalterisch zu erfassen. Gustav Klimt, Koloman Moser und Josef Hoffmann, als Hauptvertreter dieser Kunstrichtung, stehen synonym für die Kunst der Wiener Secession um 1900. Die Präsentation der hauseigenen Bestände des Leopold Museum – ergänzt um einige bedeutende Leihgaben – zeigt mehr als 300 Werke der Wiener Secession, aber auch Gemälde und grafische Arbeiten der Zeit des Expressionismus bis zum Ende des 1. Weltkriegs (Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Anton Kolig, Herbert Boeckl u.v.a.) sowie interessante Beispiele des Designs der Wiener Werkstätte. Möbel, Silber, Glas und Schmuck werden gemeinsam mit Bildern und Grafiken präsentiert und zeigen die international wohl bekannteste Epoche der Wiener Kunst als ästhetisches Erlebnis der besonderen Art.

Die Ausstellung erstreckt sich über ein ganzes Stockwerk und bietet einen abwechslungsreichen Rundgang, der für Kenner der Materie aufgrund der neuen unorthodoxen Zusammenstellung ebenso spannende Perspektiven bietet, wie er jenen, die sich noch nicht mit „Wien um 1900“ beschäftigt haben, eine kompakte Einführung in Thema und Epoche ermöglicht. Dem Touristen soll sich das Wesen der Stadt Wien um 1900 durch die Ausstellung erschließen. Dem heimischen Publikum ermöglicht die Präsentation, die Werke der Jahrhundertwende aus der Sammlung Leopold zu entdecken.

Kurator Dr. Diethard Leopold betont sein besonderes Naheverhältnis zu den Werken des Leopold Museum: „Ich bin mit dieser Sammlung aufgewachsen, kenne sie im Kern besser als die meisten.“ Dir. Mag. Peter Weinhäupl unterstreicht das Anliegen, dem Besucher mehr Information zu bieten, die Ausstellungsarchitektur attraktiver zu gestalten und nach Möglichkeit neue Medien einzubinden. „Sowohl der Kunstgenuss als auch der Museumsbesuch sollen ein einzigartiges Erlebnis bieten“, so Weinhäupl. Die Kunstobjekte wurden teils in Form von Installationen zusammengeführt, die großen Lichtschächte in „aktive Flächen“ umgewandelt und somit in die Ausstellungsarchitektur eingebunden. Unterschiedliche Ebenen, Rampen, Zwischenwände etc. ermöglichen neue Raumerlebnisse.

„Das Schaffen österreichischer Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat die Kunst nachhaltig beeinflusst. In der Sammlung Leopold sind zahlreiche Werke dieser Epoche erhalten und werden nun in einer eigenen Schau präsentiert. Als Partner des Leopold Museum unterstützen wir diese sehr gerne“, erklärt Dr. Günter Geyer, Generaldirektor der Wiener Städtische Versicherung AG Vienna Insurance Group.

Für Ö1 Kulturchefin Dr. Maria Rennhofer deckt der Schwerpunkt „Wien um 1900“ der Sammlung Leopold „ein wichtiges Kapitel österreichischer Kunstgeschichte ab, das in keinem anderen österreichischen Museum in vergleichbarer Form vertreten ist. Dies ermöglicht die Rückbesinnung auf die Wurzeln der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts und den internationalen Vergleich.“ Maria Rennhofer verweist auch darauf, „dass die Sammlung immer wieder Anregung zur Auseinandersetzung mit der wechselvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts und mit deren Auswirkungen auf die Schicksale der einstigen Eigentümer und Sammler“ biete.

Der Ausstellungsort, die Ebene 4, ist das höchstgelegene Geschoss des Museums. Die Lage bietet einen wunderbaren visuellen Anknüpfungspunkt zu „Wien 1900“. Der Blick aus den Panoramafenstern stellt einen Konnex zur Wiener Ringstraße her, vom Kunsthistorischen Museum bis zur Neuen Hofburg. Durch die Stadterneuerung Wiens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde auch der Grundstein für die Errichtung der berühmten Jugendstilbauten Wiens gelegt. Dieser von Peter Weinhäupl konzipierte zentrale Info-Raum der Ausstellung enthält eine neue loungeartige Plattform, die ab sofort einen einzigartigen Blick über Bauten des späten 19. Jahrhunderts und die neue Architektur des MuseumsQuartier bietet. In diesem Ausstellungsraum belegen Architekturzeichnungen, Stadtpläne, historische Fotos und Filmaufnahmen die Leistungen der bahnbrechenden Architektur in Wien um 1900, von Otto Wagner bis Adolf Loos.

Die Bezugspunkte zum Heute, Querverbindungen zu verwandten Themen oder Parallelen der Kunst in Wien um 1900 zu anderen Stilrichtungen sind integrativer Bestandteil des Ausstellungskonzepts. Jeder Raum weist deshalb ein Suchobjekt auf. Der Bezug dieser Gegenstände zur Ausstellung wird in einem Flyer erklärt. Diese Ausstellungsstücke sind ein wunderbares Instrument für den Aufbau eines zusätzlichen Spannungselementes und ein wertvolles pädagogisches Element für die Kunstvermittlungsprogramme zur Ausstellung.

„Wien um die Jahrhundertwende“ stellt sich gleichsam als ein „Programm für hundert Jahre“ dar. Die Errungenschaften der Kunst um 1900 haben das Kunstschaffen des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst. So empfindsam und verspielt Secession und Jugendstil mit ihren floralen Elementen sind, so cool und gediegen präsentieren sich die Möbel der Wiener Werkstätte. Die Ausstellung verdeutlicht die um 1900 einsetzende „Evolution des Geschmacks“. Die Tiefgründigkeit des Expressionismus (Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Richard Gerstl) wird ebenso beleuchtet wie der Einfluss der Psychoanalyse auf das „weite Land der Seele“ und die Ergründung von „Geschlecht und Charakter“ (das gleichnamige Werk des Philosophen Otto Weininger (1880-1903) erschien 1903). Das edle Mobiliar des Großbürgertums gibt Anlass zu Hinweisen auf den geschichtlichen Background, die sozialen Strömungen und die Zeit der letzten Jahre der Monarchie. Das Ende des 1. Weltkriegs bildet das „Finale“ der Ausstellung. Der Rundgang durch die neun Räume, der sich ungezwungen an eine Chronologie der „Evolution des Geschmacks“ anlehnt, folgt thematisch den wichtigsten künstlerischen Findungen jener Zeit, der bisher wohl fruchtbarsten Epoche der österreichischen Kunstgeschichte.