Bedeutende Werkgruppen und herausragende Einzelobjekte prägen den Charakter der Sammlung Klassische Moderne, die zu den wichtigen Beständen in Deutschland zählt. Die Abteilung, die alle zwischen 1900 und 1960 entstandenen Gemälde und Skulpturen umfasst, blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Nur zögerlich engagierte sich der erste Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark für die nachimpressionistische Malerei. Dagegen erwarb sein Nachfolger Gustav Pauli von 1914 an verstärkt die Kunst seiner Zeitgenossen: Er sicherte dem Museum nicht nur eine Reihe zentraler Werke, sondern etablierte in ihm auch feste Ausstellungssäle für die Moderne. Nach Absetzung Paulis wurde 1937 fast der gesamte Bestand moderner Malerei von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und ging dem Haus für immer verloren. Carl Georg Heise, der das Direktorenamt 1945 antrat, arbeitete mit eindrucksvollem Erfolg daran, diese Wunde mit Erwerbungen zu schließen und die ehemals verfemte Kunst zu rehabilitieren. Ab 1955 konnte Alfred Hentzen die Sammlung der Klassischen Moderne mit wichtigen Werken weiter ausbauen, nun bereits mit Blick auf die aktuelle Kunst seiner Zeit. Seit den 1970er Jahren erweitern ergänzende Ankäufe, aber auch Schenkungen und Vermächtnisse sukzessive den Bestand. Wie schon zu Zeiten Paulis stärken bis heute auch dauerhafte Leihgaben aus Privatbesitz die Klassische Moderne.

In der Kunsthalle entfalten sich zahlreiche Facetten der deutschen und der internationalen Moderne in Malerei und Skulptur: Gemälde der »Brücke«-Künstler und der École de Paris sowie Werkgruppen von Edvard Munch, Wilhelm Lehmbruck, Paula Modersohn-Becker, Lovis Corinth und Max Beckmann veranschaulichen den Aufbruch ab 1900. Die Kunst des Bauhauses, der Neuen Sachlichkeit und des Surrealismus sowie verschiedene Tendenzen der abstrakten und ungegenständlichen Malerei führen in die Mitte des 20. Jahrhunderts und verleihen wenigen intensiven Jahrzehnten ein eindrückliches Gesicht.

Mit der Wiedereröffnung des Museums im Frühjahr 2016 stellt sich die Klassische Moderne in neuer Frische und Vielfalt vor: Der umgestaltete Rundgang führt Kunstströmungen und -gemeinschaften vor Augen und richtet zugleich den Fokus auf einzelne Œuvres – so ist dank gewichtiger neuer Leihgaben Beckmann nun mit frühesten bis letzten Werken vertreten. Er lädt aber auch ein, sich in grundsätzliche Phänomene der modernen Kunst zu vertiefen, darunter die Bewegung zwischen den Polen Figuration und Abstraktion, oder in Bildern der Zeitgeschichte nachzuspüren, zum Beispiel den Katastrophenjahren um Klassische Moderne den Ersten Weltkrieg. Einen Höhepunkt stellt der neue Empfangssaal der Hamburger Kunsthalle dar: Er ist den 1950er Jahren gewidmet und präsentiert Werke aus Deutschland, England, Frankreich, der Schweiz und den USA, die zugleich tiefe Versehrtheit und den Glauben an Freiheit und Humanität offenbaren.

Die Neuhängung der Klassischen Moderne zeigt, was diese recht kurze Zeitspanne von Kunstproduktion zutiefst charakterisiert: die Gleichzeitigkeit des Unterschiedlichen, die Wirkkraft von Ideen über Landesgrenzen hinweg, die Auflehnung gegen Althergebrachtes, das Aufblühen nach Zerstörung. So bleibt die Moderne, die wir klassisch nennen, faszinierend aktuell und eine Herausforderung für unser Sehen und Denken.