Den Weg zu einer städtischen Gemäldesammlung haben engagierte Leipziger geebnet, die ihr das markante Profil einer bürgerlichen Kunstsammlung verliehen. Die nachfolgend kommentierten Werke markieren einige Glanzlichter eines seit 1837 vor allem durch wertvolle Schenkungen rasch auf über 3000 Werke angewachsenen Gemäldebestandes, der in seiner Gesamtheit ein individuelles Bild der 600-jährigen Kunstentwicklung in Europa zeichnet. Durch Verkäufe zu Beginn der 1920er Jahre, durch die Aktion „Entartete Kunst“ von 1937 und durch Kriegsverluste aus dem Zweiten Weltkrieg erlitt dieser Bestand schwere Schäden, die zu DDR-Zeiten nicht ausgeglichen werden konnten.

Zunächst gänzlich auf die zeitgenössische Kunst ausgerichtet, wurden erst seit 1847 Werke von Künstlern der vergangenen Jahrhunderte der noch jungen Sammlung eingefügt. Im Zentrum der Gemäldesammlung Alter Meister stehen seither Arbeiten holländischer Künstler des 17. Jahrhunderts, welche sich bei den privat kunstsammelnden Leipziger Bürgern einer besonderen Beliebtheit erfreuten. Mit fast 400 Gemälden liegt die Bedeutung dieses Bestandes neben Meisterwerken bekannter Maler vor allem in der Geschlossenheit und Fülle charakteristischer Werke von Künstlern, die zu den Spezialisten ihres Faches gehörten. Die intimen Alltagsschilderungen, die faszinierenden Porträts, Landschaften, Architekturbilder und Stillleben verbinden oftmals detaillierte Zustandschilderung mit tieflotender Symbolik. Die flämische Malerei, die nie im Mittelpunkt der Leipziger Sammeltätigkeit stand, vermögen vereinzelte Werke dagegen nur zu skizzieren. Zum kostbarsten Besitz gehören darüber hinaus die etwa 60 Gemälde altdeutscher und altniederländischer Künstler des 15. und 16.

Jahrhunderts mit herausragenden Einzelwerken und der einzigartigen Kollektion von 18 Werken der beiden Lucas Cranach. Der Bestand kennzeichnet in den Darstellungen religiöser Thematik den Wandel von spätmittelalterlicher Formauffassung zur Gedankenwelt der Renaissance und des Humanismus. Porträts, Akte und Landschaftsausschnitte reflektieren das neuartige Verhältnis zum Menschen und seiner Umwelt. Gegenüber den fürstlichen Sammlungen tritt in Leipzig mit etwa 100 Gemälden vorzugsweise italienischer, seltener französischer und spanischer Meister des 15. bis 18. Jahrhunderts die Kunst der romanischen Länder deutlich zurück. Es dominieren kleinformatige Werke christlicher Thematik, die der privaten Andacht dienten. Zugleich vermögen sie das vielfältige Erscheinungsbild der italienischen Kunst in der Mannigfaltigkeit lokaler Kunstschulen in den ökonomisch und politisch bestimmenden Stadtstaaten und Regionen zu zeichnen. Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts vertritt ein kleiner Werkbestand, der von der Porträtmalerei geprägt wird. Die Entwicklung vom fürstlichen Repräsentationsbildnis zum bürgerlichen Charakterporträt widerspiegelt anschaulich die geistigen und gesellschaftlichen Veränderungen im Zeitalter der Aufklärung und der französischen Revolution. Besonders zu beachten ist deshalb die als Leihgabe der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig übernommene Porträtgalerie der Leipziger Kramermeister.

Ein Markenzeichen innerhalb der Gemäldesammlung Neue Meister sind die ca. 750 Werke der Kunst des 19. Jahrhunderts, deren vielgestaltige Entwicklung vor allem in Deutschland zwischen Klassizismus/Romantik und Impressionismus/Symbolismus in charakteristischer Weise nachvollziehbar wird. Der Bestand zeichnet ein stimmiges Bild der wichtigsten Kunstzentren und Schulen, darunter München, Düsseldorf, Berlin und Dresden sowie der lokalen Entwicklung in Leipzig.

Beeindruckend ist außerdem, dass neben sehr bekannten Kunstwerken oftmals auch exemplarische Kollektionen der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten vertreten sind. Zwei privaten Schenkungen verdankt Leipzig eine in deutschen Museen nahezu einzigartige Spezialsammlung französischer Malerei, die namhafte Vertreter der Kunst um 1800 ebenso umfasst wie die Schöpfer intimer Natur- und Landschaftsschilderungen der Schule von Barbizon. Während die künstlerische Entwicklung in Sachsen zwischen Symbolismus mit der Zentralgestalt Max Klinger und der sozialkritisch-veristischen Kunst den Bestand an Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmt, ist die Klassische Moderne nur noch mit wenigen charakteristischen Einzelwerken vorrangig des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit präsent. Großzügigen Leihgebern ist außerdem die Einrichtung eines repräsentativen Max Beckmann-Saales zu danken.

Mit über 500 Werken sind Künstler aus der DDR vertreten, wobei neben der Berliner, Dresdner und Hallenser Kunst die lokale Leipziger Malerei trotz mancher Disproportion in großer stilistischer und thematischer Breite das eigentliche Zentrum bildet. Dagegen beleuchten derzeit Einzelwerke (oftmals Leihgaben) die seit 1945 im Westen Deutschlands entstandene Kunst nur unzureichend. Um so mehr konzentrieren sich die neueren Ankäufe, großzügige Schenkungen und Leihgaben privater Sammler darauf, mit den seit den 1990er Jahren entstandenen Werken der jüngeren Künstlergeneration wieder Anschluss an die aktuelle Kunst zu finden.