Blain|Southern präsentiert shadow of curls, Sislej Xhafas erste Ausstellung in Berlin.

Im Mittelpunkt von Xhafas künstlerischem Schaffen steht die Identitätspolitik rund um den rechtlichen Status seines Heimatlandes Kosovo. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit allgemeineren Konzepten von Macht, Politik, Immigration sowie sozialer und wirtschaftlicher Mobilität. Mit vielen dieser Themen setzt er sich im Pavillon der Republik Kosovo, auf der diesjährigen 57. Biennale in Venedig, auseinander. In shadow of curls arbeitet Xhafa mit unterschiedlichen Materialien, die mit den verschiedenen Formen der Migration assoziiert werden, sowie mit einer Reihe von Alltagsobjekten, die rückangeeignet, verändert oder nutzlos gemacht werden. In seiner konzeptuell angelegten Arbeit stützt er sich mit ironischer, humorvoller und subversiver Wirkung auf die Geschichte des Readymades.

Auf den ersten Blick wirkt ein links neben dem Eingang stehender Olivenbaum völlig fehl am Platz. Ein an dem Baumstamm herunterhängendes kleines Schild mit der Aufschrift „dont touch me“ spielt einerseits auf Eigentum und Privatsphäre an, gleichzeitig aber auch auf die Geschichte des Olivenbaums als Friedenssymbol oder den Baum als Zeugen der Geschichte.

In einer Ecke des Raums steht eine große karierte Plastiktasche - ein Alltagsgegenstand, der schon fast zum Symbol für Flucht und Migration geworden ist. Aus der Tasche lugt ein Kristallleuchter hervor, der die Hoffnung auf ein neues Leben andeuten, vielleicht aber auch auf ein Gefühl des Erstickens anspielen soll. Mit kleinem Abstand zur Wand hängen große, vollkommen weiß gemalte Leinwände, die jeweils teilweise mit durchsichtigem Polyäthylen bedeckt sind. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man Stacheldraht an der Wand, eine bedrohliche Sperre zu einem anderen Raum, der von den makellosen Gemälden größtenteils verdeckt wird. Für Xhafa maskiert die saubere, perfekte Fläche eine dunklere, bittere Realität. Als Gegensatz hängt an der gegenüberliegenden Wand ein ganz in Schwarz gehaltenes Gemälde. Die matte Fläche wird nur von dem kaum zu sehenden, schräg in schwarzem Lack aufgetragenen Schriftzug „Chicago“ unterbrochen. Diese fast unlesbare Anspielung ist ein Beispiel für die in Xhafas Arbeiten so häufig zu sehende visuelle Poesie. Unter Vermeidung einer direkten Metapher verweist das Werk auf die vielschichtigen Definitionen von Gewalt.

Xhafas Readymades sind einfache Haushaltsgegenstände – ein Gartenschlauch, ein Kühlschrank, Mülltüten, eine Matratze und ein Sonnenschirm; seine Verwendung von Beton weckt Assoziationen von Eigenheimbau, Dauerhaftigkeit und Zugehörigkeit, paradoxerweise aber gleichzeitig auch von Gefangensein und knallharter Ökonomie.

Shadow of curls schafft einen Raum, in dem vertraute Objekte in bedeutungsschwere, mehrdeutige Kunstwerke verwandelt werden, die das Publikum dazu einladen, sich in Gesprächen über bestimmte Momente der Geschichte oder des Zeitgeschehen sowie über allgemeine Fragen zur menschlichen Freiheit auseinanderzusetzen.

Lost and found, das Werk, mit dem der Künstler den Pavillon der Republik Kosovo auf der Venedig Biennale bespielt, ist dort bis zum 26. November 2017 zu sehen.