In seiner siebten Einzelausstellung in der Galerie Nordenhake zeigt Hreinn Fridfinnssonn Arbeiten aus drei Dekaden seines künstlerischen Schaffens sowie eine neue, raumgreifende Installation.

Fridfinnsson verwendet in seinen Arbeiten häufig einfachste Alltagsmaterialien, an denen er minimale Interventionen vornimmt. So wie in seiner ikonischen Arbeit Sanctuary (1992-2014). Sie zeigt einen Pappkarton, der als Wandobjekt auf Augenhöhe installiert ist. Die oberen Deckel sind halb geöffnet und wir sehen eine grün fluoreszierende Farbe im Inneren des kreuzförmigen Objekts schimmern. Es öffnet sich ein Fenster in einen unergründlichen, sakral anmutenden Raum. Dieses‚leicht modifizierte’ Readymade entfaltet das konzeptuelle und poetische Potential eines ansonsten scheinbar banalen Objekts.

Fridfinnssons lyrischer Konzeptualismus steht in der Tradition der Arbeiten Marcel Duchamps, Arte Povera und Land Art. Dabei werden sie meist durch einen feinen Sinn für Humor und das Übersinnliche charakterisiert und befassen sich mit den ephemeren, vergänglichen Dingen, der uns umgebenden Welt.

Wichtige Aspekte in Fridfinnssons Arbeiten sind ihre erzählerische Dimension und eine spezifische Wahrnehmung von Landschaft, als einer Verbindung zwischen Natur und Psyche, die in den Erinnerungen und den Sagen seines Herkunftslands Island wurzelt.

In der neuen Installation Hulduklettur (‚schwarzer’ oder ‚verbergender Fels’; von huldur: dunkel, verborgen und klettur: Fels) zeigt uns der Künstler eine zerklüftete Landschaft aus Pappkartons, zwischen denen sich verschiedenste Artefakte wie Ammoniten, Kristalle, ein anatomisches Model eines menschlichen Ohrs sowie Abbildungen von Nautilus und Galaxien finden, die sich zu einem komplexen Bild natürlicher Phänomene zusammenfügen. Ihr verbindendes Element ist die FibonacciSequenz.

Die Spirale, die als Inbegriff ihrer mathematischen Systematik gilt, wird als eine Art Wachstumsmuster und fundamentales Prinzip der Natur verstanden. Diese Symbiose zwischen Mathematik, Philosophie und Ästhetik vollzieht auch die fotografische Arbeit Principle and Temptation (1991), deren einzelne Quadrate nach dem Goldenen Schnitt proportioniert sind, der wiederum mit der Fibonacci-Sequenz korrespondiert.

Illustration (2014) besteht aus zwei Fotografien und einem Mirage-Instrument zur Veranschaulichung von dreidimensionalen Spiegelungen und illustriert wortwörtlich das legendäre House Projekt des Künstlers. Im Jahr 1974 baute er ein Haus in einer unbewohnten Gegend Islands, bei dem er das Innere nach Außen kehrte. Darauf folgten mehrere Manifestationen des Hauses, die sich mit jeder neuen Ausführung sukzessive entmaterialisierten. Die Vierte war in diesem Jahr bei Skulptur Projekte Münster zu sehen und ist ein spiegelnder Stahlumriss des Hausrahmens, eine Art Echo des ersten Hauses. Das ausgestellte, kugelförmige Mirage-Objekt erzeugt ein Hologram des Hausumrisses, das über einer Vulkanlandschaft zu schweben scheint. Dieses Hologram ist als virtuelle, gespiegelte Version nunmehr Erinnerungsspeicher aller vorangegangenen Verkörperungen des Hauses, ein Kontainer, der alle Möglichkeiten enthält und dabei zurückblickt auf die Entstehungsgeschichte des ersten Hauses.

In Study In Black III (2010) hallt der Gedanke einer imaginierten Welt nach – im Sinne der Spiegelung als Paradigma der Kunst. Die Arbeit besteht aus einem rechteckigen, schwarzen Spiegel, einem historischen Claude Spiegel, der Künstlern im 18. Jahrhundert als optisches Hilfsmittel diente, und einer Fotografie eines solchen Spiegels. Die Arbeit greift diese Form der Landschaftsbetrachtung und Rahmung von Welt auf und wirft sie gleichzeitig wieder zurück auf den Betrachter und den Ausstellungsraum, der sich als Landschaft im schwarzen Spiegel zeigt. Dieser ist in seiner Makellosigkeit Sinnbild für das ultimative, monochrome Bild. Study In Black III ist damit auch eine Reflexion auf die Frage wie wir „Landschaft“ konstruieren und was sich darin für ein Begehren zeigt. So zeigt das Video Untitled (Books) (2005-2009) isländische Tundra und darin verstreut Bücher, die vom Wind durchblättert werden, als wären sie schon immer ein Teil dieser Landschaft.

Hreinn Friðfinnsson wurde 1943 in Baer Dölum, Island geboren und lebt seit 1971 in Amsterdam. Im Jahr 1965 war er Mitbegründer des isländischen Avantgarde-Künstlerkollektivs SÚM. Zu seinen jüngeren Einzelausstellungen zählen u.a.: Kunstverein Amsterdam (2015); The Living Art Museum, Reykjavík (2014); Bergen Museum and Malmö Konsthall (beide 2008); Reykjavik Art Museum und Serpentine Gallery, London (beide 2007); Domaine de Kerguehennec, Centre d’Art Contemporain, Bignan und Kyoto Art Center (beide 2002). Er nahm Teil an Skulptur Projekte Münster (2017), der 30. Sao Paulo Biennale (2012) und vertrat Island bei der 45. Venedig Biennale (beide 1993). Jüngere bedeutende Gruppenausstellungen hatte er im: Garage Center for Contemporary Culture / GCCC, Moscow and Mudam Luxemburg (beide 2014), MOCA Los Angeles und Haus der Kunst, München (beide 2012); Reykjavik Arts Festival (2005); Jeau de Paume, Paris (2004). Im Jahr 2000 erhielt der Künstler den renommierten Ars Fennica-Preis. Hreinn Friðfinnsson stellt seit 1989 in der Galerie Nordenhake aus.