In der Ausstellung Simultaneity Biases bei Blain|Southern thematisiert Michael Joo in seinen Arbeiten durch unterschiedliche Herangehensweisen die Idee des transitorischen Momentes von Objekten, Identitäten und Kunstwerken.

Geologische Transformationen, Umweltkatastrophen, menschliche Einflüsse, umstrittene Grenzgebiete, industrielle Prozesse, Materialverarbeitung und chemische Prozesse auf der Atomebene: All diese Formen der Veränderung spielen in seiner Arbeit und in seiner Auseinandersetzung mit den Räumen des Übergangs eine gleichwertige Rolle.

Zwei der ausgestellten Werkreihen beruhen auf seiner Erforschung der Insel Sapelo, einer Landmasse, die sich auf natürliche Weise durch Ablagerungen vor der Küste des US-Bundesstaats Georgia gebildet hat. Die Insel war über Jahrhunderte eine Enklave für Wirtschaftszweige, wie Tabakplantagen und Sägewerke, die vorwiegend Sklaven einsetzten. Heute ist sie ein grünes Naturreservat und zum großen Teil im Besitz der überwiegend aus direkten Nachkommen der versklavten Arbeitskräfte bestehenden Bevölkerung. Die sich aus ihrer wechselvollen Geschichte ergebenden komplexen sozialen und biologischen Schichten überschreiben sich ständig gegenseitig.

In That Which Just Evaporates All Around Us (2016) entpackt Joo diese Schichten mit einer zyklischen Herangehensweise. Das Werk spielt auf eine riesige, aus Sägemehl bestehende Landmasse an – die Überreste der umfangreichen Abholzungen auf Sapelo. Auf der Insel aufgenommene Naturklänge werden von Lautsprechern wiedergegeben, die in einem Würfel aus gefrorenem Sägestaub stecken. Dieser taut im Verlauf der Ausstellung immer weiter auf. Wie der „Puls“ der Insel hauchen die Naturklänge Sapelos dem Lautsprecher Leben ein und sind immer deutlicher zu vernehmen, je weiter die künstliche Form des Würfels sich auflöst. Den Ideen von Energieübertragung, Erschaffung und Zerstörung geht Joo auch in Entasis nach, einer Werkreihe, aus drei großen, aus einer Silbernitratmischung angefertigten Bildern von uralten Bäumen bestehend, die vom Blitz getroffen wurden und versteinerten. Diese jahrhundertealten Wächter, Zeugen von vielen Generationen menschlichen Lebens, wurden von einem Moment zum nächsten in versteinerte Monumente verwandelt und gehen jetzt langsam wieder in einen Zustand über, in dem sie die Insel ernähren. Diese Silbernitrat-„Gemälde“ werden mit einer Mischung aus traditionellen fotografischen Entwicklungsprozessen gefertigt, was einmal mehr das nachhaltige Interesse des Künstlers an transformativen und chemischen Prozessen veranschaulicht.

Besonders gut zum Ausdruck kommt sein zyklischer Ansatz in einer Werkreihe von Glasarbeiten, die alle zusammen den Titel Simultaneity Bias tragen. Hier kehrt er den Herstellungsprozess komplett um, indem er Werkzeuge und anderes Zubehör einer Glasbläserei aus Glas nachbaut: unter anderem Paletten, einen Sägebock und eine Stehleiter. Bei der Herstellung von Glasgüssen aus aufgeblasenen Papiertüten dreht er den Entstehungsverlauf der Glasbläserei um und geht bis zu seinem Ausgangspunkt zurück, also zu dem ursprünglichen Gedanken des Atems, der dem Glas die Form gab. In diesem Sinne erkundet Joo den Fertigungsprozess als einen Raum des Übergangs zwischen der psychischen und physischen Sphäre. Die Materialeigenschaft von Glas ermöglicht es dem Künstler, Geschwindigkeit zu nutzen, um das Konzept Zeit so darzustellen, dass sie gespürt und inszeniert werden kann. Er kreiert einen Kreislauf, der mit langsam sich bewegendem geschmolzenem Gussglas beginnt, das in einen erkalteten und festen Zustand übergeht und Werkzeuge formt, die anschließend in einer menschlichen Ablaufgeschwindigkeit benutzt werden, die wiederum selbst durch die Eigenschaft des ursprünglichen Materials vorgegeben ist.