Mit der Ausstellung Landscapes präsentiert Blain|Southern eine Auswahl an Landschaftsgemälden und Zeichnungen von Avigdor Arikha (1929–2010), einem der großen Beobachtungskünstler des späten 20. Jahrhunderts. Die Galerie vertritt von nun an den Nachlass von Avigdor Arikha und stellt seine Arbeiten mit Landscapes zum ersten Mal aus. Die Ausstellung wird in der 2. Etage zu sehen sein und ist der Auftakt des erweiterten Programms der Galerie, bei dem zwei Ausstellungen parallel laufen werden.

Avigdor Arikha ist vor allem für seine Innenraumgemälde, Stillleben und Porträts bekannt und geschätzt, von denen die meisten in seinem Pariser Atelier entstanden. Er verbrachte aber auch viel Zeit in Israel und New York, wo er nie ohne Stift und Pinsel unterwegs war. Während seiner in Israel verbrachten Sommer malte er die warmen Mauern, ausgedörrten Hügel und die Wüstenvegetation. Auf seinen häufigen Reisen nach New York war dagegen das gleichmäßig angelegte, immer weiter wachsende Straßennetz dieser Stadt eine neue Herausforderung für sein Auge und seine Hand. Häufigstes Motiv blieb aber doch seine Wahlheimat Paris – von den ikonischen, von Haussmann geprägten Stadtansichten bis hin zu den scheinbar übersehenen schönen Fleckchen der Stadt. Wo auch immer er hinschaute, entdeckte er ein Thema oder ein Muster, das ihm ein Gemälde wert war. In Landscapes können die Betrachter den Künstler auf seinen Reisen begleiten und sich von ihm Orte und Ausblicke zeigen lassen, die für den Künstler sein ganzes Leben hindurch von großer Bedeutung waren.

Auf all seinen Reisen ließ sich der Künstler immer wieder von Fensterrahmen inspirieren. In View from Rue de la Chaise (2005) steht das warme Leuchten des inneren Fensterrahmens im Kontrast zum kalten Grün des Baumes vor dem Fenster. Open Window (Gan Rehavia) (1993) zeigt den Blick aus einer Jerusalemer Wohnung. Der dem Pflanzenwuchs draußen gegenübergestellte Fensterrahmen wirkt wie eine geometrische Abstraktion. In beiden Bildern erinnert die trockene, dünne, überall mit sparsamen Pinselstrichen aufgetragene Farbe an die Leuchtkraft in Pierre Bonnards Bildern. A Path in the Morning (1994) ist ein Blick auf die Judäischen Hügel, könnte aber im Grunde überall sein. Vor allem das besondere, vom Künstler so wunderbar nachempfundene Graublau der Schatten in der Morgensonne verleiht dem Gemälde seine eigentümliche Kraft. Neben den Werken auf Leinwand sind in der Ausstellung auch viele Aquarelle, Pastelle sowie Bleistift- und Tuschezeichnungen zu sehen. Die Pastelle strahlen alle eine ebensolche farbliche Leuchtkraft aus wie die Ölgemälde, während die Tusche- und Bleistiftzeichnungen sich vor allem durch die Kombination von außerordentlicher Beobachtungsgabe mit meisterhafter Lebendigkeit auszeichnen. Die genaue Analyse der Wirkung der Linie, der Farbe und des Schattens wird überall durch den präzisen Blick untermauert, als sei der Akt der Wahrnehmung schon an sich eine Form des Verstehens.

Bei Arikhas Arbeitsmethoden kommt eine ganze Reihe von Einflüssen zum Tragen. Obwohl er schon seit der frühen Kindheit zeichnete, entwickelte sich seine Technik erst richtig in seiner Zeit in Jerusalem, als er von 1944 bis 1949 an der Bezalel-Akademie (damals Bezalel School of Arts & Crafts) unter der Leitung von Mordecai Ardon studierte, einem ehemaligen Schüler von Bauhaus-Künstlern wie Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger und Johannes Itten. Ein ebenso wichtiger Einfluss waren die Fresken von Giotto, Masaccio und Piero della Francesca, die er erstmals auf einer Italienreise 1950 sah. Aufgrund seines fundierten technischen Know-hows war es ihm möglich, ein schnelltrocknendes Pigment zu entwickeln und den sehr schwierigen Arbeitsprozess der Freskomalerei wieder aufleben zu lassen, bei der ein Werk innerhalb eines Tages fertiggestellt werden musste, bevor die „Giornata“ zu trocknen begann.

Nur wenige Künstler des 20. Jahrhunderts konnten eine Aussicht so genau wahrnehmen und die Stimmung eines Ortes mit einer solchen Präzision und Lebendigkeit einfangen wie Arikha. Für ihn war kein Blickwinkel besser als der andere, sondern jeder war ein potenzielles Motiv für ein Bild. Seine Arbeiten zeichnen sich immer durch ein sehr hohes Maß an Konzentration aus, wobei Rhythmus der sich verschränkenden Dächer von Manhattan oder ein Schatten quer über eine staubige Straße zu einer Offenbarung wird. Jedes Bild wird zu einem intensiv wahrgenommenen Ort zu einer bestimmten Zeit, der für immer vor der Flüchtigkeit des Erlebens bewahrt wird.