Blain|Southern freut sich, Quinceañeras zu präsentieren, die erste Ausstellung des Berliner Künstlers Frank Thiel mit der Galerie. Thiel zeigt seine neueste Werkreihe, für die er erstmals seit über 20 Jahren zur Porträtfotografie zurückkehrte. In dieser Serie beschäftigt er sich mit der kubanischen Tradition, den 15. Geburtstag junger Frauen als ihren Eintritt ins Erwachsenenleben oft mit überschwänglichen Festen zu feiern.

Bekannt für seine sorgfältig recherchierten Projekte, in denen er vorübergehende Zustände und im Wandel begriffene Orte untersucht, beschreibt Thiel diese Tradition der Quince als Metapher für sich veränderndes Land –wobei er neben dem Porträt einer Generation junger Kubanerinnen auch das Bild eines Havannas im Umbruch zeichnet.

In ganz Lateinamerika gilt der 15. Geburtstag einer Frau als wichtiger Übergangsritus in ihrem noch jungen Leben. Zwar hat jedes Land seine eigenen Traditionen, aber ein allen gemeinsames wesentliches Element dieser Feierlichkeiten sind von einem professionellen Fotografen aufgenommene Porträts der jungen Frauen. Mit diesen Bildern wird zumeist versucht, die Fantasiewelt der Haute-Couture zu imitieren, wie sie in Modemagazinen zu sehen ist. Thiels Aufnahmen einer Generation junger Kubanerinnen, die im Jahr 2000 geboren wurden, folgen einem anderen Ansatz.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren arbeiteten er und sein kubanisches Team eng mit den Familien der jungen Frauen zusammen. Er fotografierte die Quinceañeras in der Alltäglichkeit ihrer jeweiligen Wohnviertel in Havanna. Die in allen 15 Stadtbezirken der kubanischen Hauptstadt entstandenen Bilder fungieren als Kontrapunkt zu einer häufig nostalgischen und romantisierenden Vorstellung von der Stadt und dem Leben ihrer Bewohner. Thiels Inszenierungen sind ein Gegenentwurf zur Ästhetik konventioneller, Quince-Fotografie. Arlett Acosta Fajardo posiert für ihre Aufnahme an einer Haltestelle, während um sie herum Menschen auf ihren Bus warten. Daniela Lucrecia Márquez Rivero steht auf dem Vordach eines aufgegebenen Kaufhauses im Zentrum Havannas – über ihr dessen monumentaler Namenszug „Fin de Siglo“ (deutsch: Ende des Jahrhunderts). In diesen Aufnahmen ist förmlich zu spüren, dass nicht nur die jungen Frauen, sondern das ganze Land vor einer ungewissen Zukunft stehen. Thiels Interesse an Umbruchsituationen ist allgegenwärtig in seinem Werk, von der intensiven Auseinandersetzung mit dem Berlin nach der Wiedervereinigung bis hin zu den Aufnahmen von Gletschern in Patagonien. Quinceañeras vereint mehrere Elemente, die sein bisheriges künstlerisches Schaffen prägen: Architektur, der vergängliche Moment und sozio-politische Realitäten.

Frank Thiel wurde 1966 in Kleinmachnow (in der Nähe Berlins), im damaligen Ostdeutschland, geboren und siedelte 1985 nach Westberlin über. Er absolvierte eine Ausbildung zum Fotografen an einer Berufsfachschule, bevor er sich 1989 an der Berliner Hochschule der Künste einschrieb. Der Künstler ist für seine großformatigen Fotografen bekannt, mit denen er die topografische und architektonische Wandlung Berlins nach der deutschen Wiedervereinigung nachzeichnete. Die Werkreihe Berlin ist Thiels bisher umfangreichstes Projekt, aber sein Interesse an vorübergehenden Zuständen und im Wandel begriffenen Orten zieht sich wie ein roter Faden durch sein Gesamtwerk. Seinen Aufnahmen geht häufg eine ausgedehnte Recherchephase voraus. Mit seinem Projekt Die Alliierten begann er 1990 gleich nach der Wiedervereinigung und stellte es erst 1994 fertig. Dies war seine erste Porträtreihe, in der er rund 200 Soldaten der ehemaligen Alliierten fotograferte, bevor diese Berlin verließen. Zwei dieser Porträts – ein amerikanischer Soldat mit Blick nach Ostberlin und ein Richtung Westberlin blickender russischer Soldat – sind Teil einer permanenten Installation am Checkpoint Charlie und nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Im Jahr 2011 fotografierte Thiel Gletscher im argentinischen Patagonien, ein Gebiet, das er 15 Jahre zuvor erstmals bereiste. Zutiefst beeindruckt von der Schönheit und Zerbrechlichkeit der sich permanent verändernden Landschaft, schuf Thiel hier seine bisher größten Fotografien.