Seit mehr als vier Jahrzehnten praktiziert die Künstlerin Senga Nengudi einen transdisziplinären Ansatz zwischen Skulptur, Fotografie und Performance. Als Mitglied der afroamerikanischen Avantgarde im Los Angeles und New York der 1970er und 1980er Jahre, begann Nengudi ihre Laufbahn mit Skulpturen und Performances. In Kunsträumen und jenseits des Galeriekontextes inszeniert, erweiterten diese Arbeiten den Skulpturbegriff, verhandelten die Flüchtigkeit von Performancekunst und hinterfragten die limitierte Rolle der Frau in der Gegenwartskultur. Nengudi war bereits 2017 Teil der Ausstellung POWER, Work By African American Women From The Nineteenth Century To Now bei Sprüth Magers in Los Angeles. Zum Gallery Weekend in Berlin präsentiert die Galerie die erste Einzelausstellung der Künstlerin in Deutschland.

Die Ausstellung umfasst vier neue Skulpturen aus Nengudis R.S.V.P Serie, die die Künstlerin in den späten siebziger Jahren als Reaktion auf ihren sich verändernden schwangeren Körper begann. Nengudi verwendet Nylonstrümpfe, Sand und Metallobjekte, um feine, netzartige, geknotete Formen zu erzeugen, die sich über Wände, von Wand zu Wand, von Wand zum Boden spannen. Trotz ihrer abstrakten Form, nimmt jede der Skulpturen menschliche Posituren und Proportionen an. In R.S.V.P. Reverie "Scribe" (2014) dehnen sich fünf sandbeschwerte Strumpfhosen-Stränge bis zum Boden und erwecken den Eindruck dürrer Beine und Füße. In R.S.V.P. Reverie "Bow Leg" (2014) nehmen verdrehte Metallstränge skelettartige Züge an und lassen die losen Nylonstrümpfen wie alternde Haut wirken. In Blossom (2014) und R.S.V.P. Reverie "Scribe" (2014) erstrecken sich die Strümpfe vertikal, horizontal und diagonal zwischen den Wänden der Galerie – entgegen ihrer einfachen, feinstofflichen Beschaffenheit dehnen sich die Materialien kraftvoll im Raum aus.

Nengudi assoziiert die Dehnung des Gewebes ihrer Skulpturen mit der Elastizität des weiblichen Körpers und Verstands. Oftmals dienten diese Arbeiten auch als Bühne für Performances mit realen Körpern: Tänzer/innen, darunter die Künstlerin selbst, bewegen und manipulieren die Stränge; sie biegen und drehen sich, während sich ihre Gliedmaßen in den Nylonnetzen der Skulpturen verfangen. Ihre Verrenkungen spiegeln die Art und Weise wieder, wie Frauen den gesellschaftlichen Erwartungshaltungen zu entsprechen hatten. Die Kraft, die aus den Bewegungen der Tänzer/innen spricht, zeugt von Nengudis ungebrochenem Willen, der Welt eine neue Form zu geben. Während der späten 1970er Jahre hielt die Künstlerin viele Performances auf Fotografien fest, in denen sie ebenfalls Alltagsmaterialien wie Gummischläuche, Stricke und zerknittertes Papier einsetzte. Die Performer/innen, tragen diese Materialien als Kostüme und verwandeln sich in alien- oder insektenartige Wesen. Nengudis sorgfältig inszenierte, oftmals symmetrisch komponierte Bilder gehen weit über eine bloße Dokumentation hinaus und tragen zur eindrücklichen Wirkung ihrer bildhauerischen Arbeit bei. Eine Auswahl dieser Fotografien wird Teil der Ausstellung sein.

Senga Nengudi (*1943, Chicago, USA) lebt und arbeitet in Colorado Springs, Colorado. Gezeigt wurden ihre Werke unter anderem in Einzelausstellungen am Institute of Contemporary Art, Miami (2017–18); in der Henry Art Gallery, Seattle (2016); diese Ausstellung wanderte ans Contemporary Arts Center New Orleans, DePaul Art Museum, Chicago und ans USC Fisher Museum of Art, Los Angeles; Museum of Contemporary Art, Denver (2014). Nengudis Werk war auf der Biennale von Venedig 2017 vertreten und Teil von bedeutenden Gruppenausstellungen wie We Wanted a Revolution: Black Radical Women, 1965–85, Brooklyn Museum, New York (2017); Blues for Smoke, Whitney Museum, New York (2013) und Radical Presence: Black Performance in Contemporary Art, Contemporary Art Museum Houston (2012).