Die Ausstellung vereint Werke von Edgar Leciejewski und Oskar Rink und stellt das Atelier als Ort der Kunstproduktion und die Arbeitsweise im Künstleratelier in den Fokus der Aufmerksamkeit. So spielt der Ausstellungstitel auf die Vorstellung von der vermeintlichen Unproduktivität des Künstlertums an. Anhand von Atelierbildern Rinks und Leciejewskis stellt die Ausstellung den Mythos Atelier zur Diskussion.

In Folge der Aufwertung von Untätigkeit als Quelle für Kreativität durch Guy Debord und den Künstlerkreis der Situationistischen Internationale in den 1960er Jahren ist das Atelier zu einem Ort geworden, an dem gängige Ansichten zu Nützlichkeit und Wirtschaftlichkeit außer Kraft gesetzt sind. Der damalige Aufruf zur künstlerischen Verweigerungshaltung in einer kapitalistisch geprägten Werteordnung, in der Beschäftigung und menschliche Produktivität eine wichtige Rolle einnehmen, gilt auch heute noch trotz oder gerade wegen seiner utopischen Verwirklichungsstrategien als künstlerisches Gegenmodell. Die Idee der schöpferischen Freiheit verbindet sich vor diesem Hintergrund mit Fragen nach ökonomischen Produktionsmethoden und dem Selbstanspruch des Künstlers.

Edgar Leciejewski, geb. 1977 in Berlin, zeigt Fotografien aus den Jahren 2008 bis heute, die Arbeitssituationen in seinem Leipziger Atelier dokumentieren. Der Betrachter entdeckt an die Atelierwand geklebte Fotografien des Künstlers, gefundenes Bildmaterial, Notizen, Zeitungsausschnitte, aber auch Arbeitsgegenstände und -materialien, Büroutensilien, vereinzelt auch Mobiliar und Geräte, Stoffe, verpackte Rahmen sowie kuriose Objekte. In Originalgröße wiedergegebene Dinge scheinen zum Greifen nah. Die flächenparallel zur Wand aufgenommenen Fotografien selbst werden zu einer fluiden Membran, durch die sich die Abbilder materialisieren. Gleichzeitig gelingt es Leciejewski mithilfe der teils fragmentarischen Aufnahmen, eine gewisse unterkühlte Distanz zum dargestellten Raum zu erzeugen. So hält der Künstler nicht nur Stadien der eigenen Arbeit am und mit dem fotografischen Bild fest, mit seinen Wandbildern reflektiert er zudem seine Vorgehensweise und den Prozess der Bildentstehung. Er schafft einen zeitversetzten Reflexionsrahmen für seine künstlerische Arbeit.

Leciejewskis Atelierfotos sind einerseits fragile Erinnerungsbilder, andererseits fungieren sie als Selbstportraits, denn das Atelier ist Raum der seelischen Verortung des Künstlers, ein von der Außenwelt abgegrenztes Terrain der Freiheit und Selbstverwirklichung, das der eigenen künstlerischen Praxis Stabilität und Halt zu geben vermag. Das Atelier bedeutet für viele Künstlerinnen und Künstler nicht mehr allein Werkstatt oder Arbeitsort, sondern erfüllt die Funktion eines Freiraums für Inspiration außerhalb unserer gesellschaftlichen Vorstellungen von Effizienz und Produktivität. Die Freiheit des Nichtstuns, Nachdenkens, Ausprobierens, Experimentierens und Sich-in-etwas-verstricken-Könnens ist Teil künstlerischer Werkgenese und Voraussetzung für kreative Schaffensprozesse. Durch den Ort des Ateliers definieren sich selbst freie Zeit, Spiel und Langeweile als künstlerische Arbeit.

Für die 1980 in Leipzig geborene Künstlerin Oskar Rink scheint das Atelier eine Art Freihandelszone, in der angebliche Gesetzmäßigkeiten und familiäre Prägungen auf die Probe gestellt werden. Die eigene Identität spielt bei Rink eine durchaus besondere Rolle, denn die Wahl eines männlichen Vornamen-Pseudonyms und der dadurch resultierende vorsätzliche imaginäre Geschlechtertausch entspringen letztlich auch dem Wunsch nach multipler künstlerischer Individualität gleichbedeutend mit größerer Freiheit und Autonomie.

Anders als in Leciejewskis Fotografenatelier herrscht in Rinks Arbeitsraum kontrollierte Anarchie. Das Vorhandensein chaotischer Zustände löst bei ihr das Verlangen nach Strukturierung und Ordnung aus. Fundstellen und Ecken im Atelier bilden so die grundlegende Quelle für ihre abstrakten Kompositionen. Häufig entstehen zunächst Papierkonstruktionen, kleine gebastelte Modelle oder Gerüste, die bereits eine erste Maßnahme zur Systemfindung und Regulierung darstellen und später in Installationen, Zeichnungen und Gemälden weiterverarbeitet werden. Konzentrierte sich Rink bisher vor allem auf abstrakte Formen und Linien, verstärkt sich in ihren jüngsten Arbeiten das Interesse für Körper und Räumlichkeit. Ungegenständlichkeit verbindet sich auf diese Weise mit bühnenartigen Raumsituationen. Hinzu kommt ein ausgeprägtes Interesse an technisch vielfältigen experimentellen Ausdrucksformen: besonders in der Malerei und in Papierarbeiten kombiniert die Künstlerin lineare Konstruktionen mit Collageprinzipien, malerische Oberflächen mit Photoshop-ähnlichen Auslöschungen bzw. Aussparungen. Chaos ist bei Rink in ein verstricktes System eigener innerer Logik und Klarheit verwoben.

Die künstlerische Praxis von Rink und Leciejewski könnte unterschiedlicher wohl kaum sein, dennoch verbindet sie eine enge, langjährige Freundschaft. Dieser Polarität liegt eine Spannung inne, die in der Gemeinsamkeit des Experimentierens mit Raum, Zeit, Perspektive und Materialität ihren Ausdruck findet.