Die Galerie Kornfeld freut sich, Ihnen Arbeiten des deutschen Künstlers und Schauspielers Jürgen Draeger zu präsentieren. Zu sehen sind ebenso meisterhafte wie sinnliche Zeichnungen, die 1982 während der Dreharbeiten zu Rainer Werner Fassbinders aufsehenerregendem letztem Film „Querelle“ entstanden.

Draeger, geboren 1940 in Berlin, machte sich in den 1960er Jahren einen Namen als charismatischer Schauspieler und avancierte rasch zum Publikumsliebling. Seine wahre Passion aber war und blieb die Malerei. Bereits als dreizehnjähriger Schüler durfte er an der Berliner Hochschule der Künste (heute Universität der Künste) studieren und veröffentlichte kurz darauf erste Werke in Zeitungen und Magazinen. 1960 erhielt er aus der Hand Willy Brandts, damals Regierender Bürgermeister von Berlin, bei der Großen Berliner Kunstausstellung den 1. Preis für Junge Kunst für sein Ölgemälde „Berliner Häuser“, ein Bild, das ein einsames, vom Krieg verschontes Mietshaus inmitten von Ruinen zeigt. Diese erste Begegnung war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. 1990 kam es auf ausdrücklichen Wunsch Willy Brandts zu einer engen Zusammenarbeit - Draeger begleitete den Politiker zeichnerisch auf einer Reise durch die neuen Bundesländer.

Zur Kooperation mit Filmgenie Rainer Werner Fassbinder kam es, nachdem der Regisseur Draegers Zyklus „Sucht und Drogen“ gesehen hatte, eine schonungslose Darstellung menschlicher Selbstzerstörung, die 1981 mit dem Grand Prix International d’Art Contemporain de Monte-Carlo ausgezeichnet wurde. Offenbar erkannte Fassbinder einen Wahlverwandten, denn er bat Jürgen Draeger, die Dreharbeiten zu „Querelle“ malerisch zu dokumentieren. Basierend auf Jean Genets 1947 erschienenem Roman „Querelle de Brest“ sollte der Film die verstörende Geschichte eines Matrosen erzählen, der seine Homosexualität tabulos auslebt und sich immer tiefer in ein Geflecht aus Liebe, Gewalt und Verrat verstrickt. Bald darauf richtete sich Draeger ein Atelier in den Berliner Filmstudios ein, wo er mit dem Filmteam lebte und arbeitete. Unter anderem portraitierte er die Leinwandikonen Brad Davies, Franco Nero und Jeanne Moreau sowie den Regisseur selbst, den bereits von seinen Süchten gezeichneten, mal cholerischen, dann wieder zärtlich zugewandten Fassbinder. Der vertraute Draeger derart vorbehaltlos, dass er dem Künstler auch jenseits des Scheinwerferlichts intimste Einblicke in die Entstehung seines letzten Films gewährte.

In jeder Zeichnung spürt man die Intensität eines kreativen Ausnahmezustands. Es sind Dokumente eines nahezu manischen Schaffensprozesses, vor und hinter der Kamera, auch in Phasen der Erschöpfung und der selbstvergessenen Nachdenklichkeit. Auf diese Weise erlaubt der "Querelle“-Zyklus einen faszinierenden Blick hinter die Kulissen einer inzwischen legendären Produktion: minutiös beobachtete Gesten und seelische Zustände, Psychogramme, die jenseits simpler Abbildlichkeit den Menschen in all seinen Facetten beleuchten. Mit seinen subtilen Zeichnungen stellt sich Jürgen Draeger in die Tradition eines Henri de Toulouse-Lautrec, der vergleichbar unerschrocken eine subkulturelle Sphäre zum künstlerischen Sujet nobilitierte. Wie ein roter Faden zieht sich diese Arbeitsweise durch Draegers Werk, von "Sucht und Drogen" über den „Querelle“-Zyklus bis zu seinen Serien zum Circus Roncalli (1983) und zu "Ein Käfig voller Narren / La cage aux folles" (1986).

Bald nach Fassbinders Tod, in den Jahren 1982 und 1983, tourte der „Querelle“-Zyklus durch Europa. Bruno Balz, Dreagers langjähriger Lebenspartner und einer der größten deutschsprachigen Textdichter des 20. Jahrhunderts ("Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n"), orakelte damals: „Wenn du diese Zeichnungen der Öffentlichkeit zeigst, ist deine Karriere zu Ende". Das Gegenteil war der Fall. Die Schau wurde zu einem beispiellosen Erfolg. Mehr als eine halbe Million Menschen strömte damals in die Wanderausstellung, die mit künstlerischen Mitteln einen Gegenentwurf zum konservativen gesellschaftlichen Klima bildete: als soziale wie politische Vision eines sexuell befreiten Lebens jenseits der reglementierten Normalität, inspiriert von Fassbinders kompromissloser Ästhetik. Doch noch heute ecken Draegers Werke an. Sie provozieren und schockieren, sie entsetzen und werfen Fragen auf, ganz im Geiste Jean Genets, der sagte: "Das einzige Mittel, dem Entsetzen zu entgehen, besteht darin, sich dem Entsetzen zu überlassen.“