Die Galerie Michael Janssen begrüßt diesen Sommer mit der Ausstellung Petersburger Saloon. Die Wände vollbehangen mit Werken von Mario Ybarra Jr. und den Brüdern Posin, verwandelt sich die Galerie in einen Ort, der in der Tat an einen Salon aus dem neunzehnten Jahrhundert erinnert. Die Möblierung verstärkt diese Wirkung noch, während sie gleichzeitig zum Verweilen inmitten der dicht beieinander hängenden Gemälde einlädt und zu gepflegter Salon-Konversation anregt. Und sollte es dabei einmal zu einer etwas hitzigeren Debatte kommen – beispielsweise zur Fußball-Weltmeisterschaft 2018 oder zu einem der vielen immer wieder gerne kontrovers diskutierten Themen aus dem weiten Feld der Politik – wird sich jede Aufgeregtheit angesichts der geballten Ansammlung der größten Meisterwerke der Kunstgeschichte, die den Besucher hier umgeben, schon sehr bald wieder legen.

Aber ist das eigentlich möglich? Kann es wirklich sein, dass hier völlig unbekümmert Werke aus der Antike, russische Ikonenmalerei und einige der großen Meisterwerker der Landschafts- und Porträtmalerei der letzten fünfhundert Jahre hängen?

Es ist möglich und der Dank dafür gebührt Evgeni, Semjon und Michail Posin. Seit die drei Brüder vor über dreißig Jahren nach Berlin kamen, haben sie mit ihren Werken internationale Berühmtheit erlangt und gelten weithin als die besten „Kunstfälscher” der Welt. Und dennoch wäre es nicht treffend, ihre Arbeiten als Kopien zu bezeichnen. Denn sie sind viel mehr als das. Das Trio erkannte seine Gabe zur Reproduktion an der Russischen Akademie der Künste (als St. Petersburg noch Leningrad hieß), wo die drei eine exzellente Ausbildung in den traditionellen bildenden Künsten genossen. Die dort vermittelte Perfektion hat sie und ihre Arbeitsweise entscheidend geprägt. Jedes neue Projekt ist ihnen eine neue Herausforderung, der sie ihre volle Konzentration widmen.

Ob sie nun einen Vermeer, einen Rembrandt oder einen da Vinci malen – am Anfang einer jeden Arbeit steht die eingehende Recherche zu dem Künstler, den verwendeten Techniken und dem geschichtlichen Hintergrund, vor dem das Kunstwerk entstanden ist. Dafür setzen sie sich auch schon mal in den Nachtzug von Berlin nach Paris, um so ein Original noch einmal vor Ort im Louvre in genauesten Augenschein nehmen zu können (so festgehalten in Die Meisterfälscher aus Neukölln, Anke Rebberts Dokumentarfilm aus dem Jahr 2014 über die Brüder) – ein Aufwand, der exemplarisch ist für die Hingabe, die ihr Arbeitsethos und ihre gesamte kreative Philosophie kennzeichnet. Es ist eine Hingabe, mit der sie sich ein tiefes Verständnis der Vorlage erarbeiten und die sie die Seele eines Kunstwerks erst erspüren lässt.

Die Nachfrage nach den Reproduktionen der Gebrüder Posin sorgt dafür, dass sie beinahe rund um die Uhr arbeiten. Bei so vielen Aufträgen könnte man meinen, sie hätten keine Zeit und kein Interesse für ihre eigene Kunst. Aber weit gefehlt! Eingewoben in die Ausstellung sind Gemälde, die einzig und alleine aus ihrer Vorstellungskraft entstanden sind: Einhörnige Monster, blutrünstige Drachen und historische Figuren aus der Geschichte, deren Züge mit einer humorvollen Wendung bedacht wurden (wie in dem katzenäugigen Porträt von Joseph Stalin). So fantastisch diese Bilder auch anmuten, sind sie aufgrund ihrer handwerklichen Qualität bisweilen nur schwer von den Faksimiles zu unterscheiden, verfügen die Brüder durch ihr Wissen um die Kunst und ihre (Wieder-)Herstellung doch über das Instrumentarium, zwar vollkommen neue, aber absolut überzeugende Gemälde im Stil eines bestimmten Künstlers zu erschaffen. Während ein solches Talent für manche das Potenzial für allerlei Schelmerei bergen mag, ist es für die Brüder eine weitere Möglichkeit, ihrer lebenslangen Liebe zur klassischen Kunst Ausdruck zu verleihen.

Einen Gastauftritt im Petersburger Saloon hat der US-amerikanische Künstler Mario Ybarra Jr. mit einer Auswahl von Zeichnungen aus den Reihen From L.A. to S.A. und Space Tags – beide sind wiederum Teile eines größeren Projekts mit dem Titel Silver and Black. Die Zeichnungen sind hier wie beiläufig zwischen den Arbeiten der Brüder Posin platziert. Die nahezu monochromen Arbeiten bilden dabei einen starken visuellen Kontrast zu dem Farbenreichtum der sie umgebenden Gemälde, ebenso wie ihre vielfältigen Bezüge zum Graffiti, zur Kalligraphie und zu Comics. Auch die für viele von Ybarras Werken typischen Hinweise auf die mexikanisch-amerikanische Kultur unterscheiden sich von der europäischen Perspektive der Posins und erinnern so daran, dass am Gespräch über Kunst und Kunstgeschichte viele Stimmen beteiligt sind.