Unter dem Titel 'Mike Kelley. God's Oasis' präsentiert Hauser & Wirth in Zusammenarbeit mit der Mike Kelley Foundation for the Arts ihre erste Einzelausstellung des Künstlers Mike Kelley in der Galerie in Zürich. Die Ausstellung wird kuratiert von Peter Pakesch und bietet einen vertieften Einblick in Kelleys künstlerische Entwicklung, indem sie die prägenden Jahre in seiner Heimatstadt Detroit ebenso beleuchtet wie seine nachfolgenden Arbeiten als Student in Ann Arbor, Michigan, sowie sein Überdenken dieser künstlerischen Produktion Jahrzehnte später.

Kelley gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Sein vielseitiges Werk stellt die sozialen und kulturellen Normen der zeitgenössischen amerikanischen Gesellschaft mithilfe von absurden, komischen und überaus postmodernen Formulierungen in Frage. In der Ausstellung werden selten gezeigte Papierarbeiten zu sehen sein, darunter eine Auswahl von studentischen Zeichnungen aus dem Archiv der Mike Kelley Foundation for the Arts, Gemälde aus Kelleys überarbeiteter Serie Missing Time (1974-1994) sowie Arbeiten aus seiner Serie von Untitled-Collagen (1974-2011); viele davon werden zum ersten Mal ausgestellt. Ausserdem werden die begehbare Installation 'Rose Hobart II' (2006) und die Mobile-Skulptur und dazugehörige Zeichnung 'Repressed Spatial Relationships Rendered as Fluid #1: Martian School (Work Site)' (2002) gezeigt.

Im Verlauf einer vierzig Jahre dauernden Entwicklung Kelleys entstand ein umfassendes Oeuvre von Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen, Videos, Performance-Arbeiten und Musik bis hin zu kunstkritischen Texten. Der in Detroit geborene Künstler studierte ab 1973 an der University of Michigan in Ann Arbor und zog 1976 nach Los Angeles, um dort an einem Master of Fine Arts Studium des California Institute of the Arts teilzunehmen. Als Reaktion auf die vorherrschende modernistische Ästhetik, auf die er im Verlauf seiner Ausbildung an der University of Michigan stiess, eignete er sich oftmals Bildmaterial aus dem Trivialen und der Subkultur an und liess sich ebenso von regionalen Künstlern, Comics, Erotika, Groschenromanen und Werbung inspirieren. Kelleys auf Zeichentrickfilmen und Karikaturen basierende Serien wie Untitled (Allegorical Drawings) (1976) sind voller hintersinniger Zitate aus der zeitgenössischen amerikanischen Kultur. Kelleys Beziehung zur Subkultur ist durch seine Jugend in Detroit geprägt, insbesondere durch die alternative Musikszene der 1970er Jahre. Er lernte dort experimentelle Musiker kennen, deren Repertoire (Proto)-Punk, Rock und Jazz umfasste, wie zum Beispiel Iggy Pop and The Stooges, Funkadelic und Sun Ra. Die Musik und Performance solcher Künstler hatten Einfluss auf die Entstehung der von Kelley und seinen Künstlerkollegen Jim Shaw, Cary Loren und Niagara 1974 gegründeten Proto-Punkband Destroy All Monsters (DAM), die mit Geräuschen und Musik experimentierte. DAM hatte sich an der University of Michigan zusammengefunden und man traf sich zu den Proben im Keller von Kelleys Haus, das bald auch unter dem Namen 'God's Oasis Drive-In Church' bekannt wurde.

Während dieser entscheidenden Phase in Kelleys künstlerischer Entwicklung entstand 2000 eine Folge von großformatigen Wandbildern unter dem Titel 'Strange Früt: Rock Apocrypha', als Hommage Kelleys und der Band DAM an die Stadt Detroit und deren musikalischen und künstlerischen Einfluss.

Die Ausstellung thematisiert das Umfeld von Detroit und Ann Arbor und dessen Einfluss auf Kelleys Entwicklung ab den 1970er Jahren. Der Rückblick des Künstlers auf diese Zeit war bald untrennbar verbunden mit anderen Themen im Zentrum seiner Arbeit, wie beispielsweise unterdrückter Erinnerung, Schulbildung, Sexualität und Gesellschaftsschichten. Kelley setzte die populäre Theorie des Syndroms der verdrängten Erinnerung ein, um die Werke seiner Studentenzeit neu zu überarbeiten. Diese Thematik führte zu seiner bahnbrechenden Arbeit 'Educational Complex' (1995). Obwohl das Syndrom der verdrängten Erinnerung ursprünglich im Zusammenhang mit der Unterdrückung sexueller Traumata definiert wurde, zog Kelley Parallelen zu seinen Erfahrungen in der Ausbildung. 'Ich hatte immer angenommen, dass meine aktuelle Arbeit in irgendeiner Weise von meiner Ausbildung beeinflusst ist, selbst wenn ich bewusst gegen diese Ausbildung rebelliert habe und keine formale Verbindung zwischen neuen Arbeiten und solchen aus der Studentenzeit erkennen konnte', erläuterte Kelley. 'Die 'Symptome' meiner neueren Arbeiten müssen daher ein Nebeneffekt meiner Ausbildung sein, den ich verdrängt habe. Außerdem belegt diese Verdrängung, dass meine Ausbildung traumatisch gewesen sein muss – es muss eine Form des Missbrauchs gewesen sein.' Indem er Arbeiten aus Serien wie Missing Time (1974-1994) und den Untitled-Collagen (1974-2011) umfunktionierte und recycelte, zielte Kelley darauf ab, ihre historische Rezeption zu unterlaufen und die Kategorien zu verstehen, die sie ursprünglich definierten.

Kelleys Installation 'Rose Hobart II' (2006) ist beispielhaft für sein dauerhaftes Interesse an einer Neubetrachtung der Studentenerfahrung. Es handelt sich um einen skulpturalen Ableger und wörtliche Illustration seiner früheren Arbeit 'A Continuous Screening of Bon Clark's Film, Porky's (1981), the Soundtrack of Which has Been Replaced with Morton Subotnik's Electronic Composition, The Wild Bull (1968) and Presented in the Secret Sub-Basement of the Gymnasium Locker Room' (2002). Der Künstler beschreibt die Arbeit 'Rose Hobart II' als 'ein Beispiel einer Richtung in meiner Arbeit der letzten Jahre, in der ich frühere Werke neu betrachte. In diesen neuen Arbeiten verwende ich oft Material, das bei der Herstellung früherer Werke übrig blieb. Ich beschäftige mich in einer Art Frage-und-Antwort-Spiel mit meiner eigenen ästhetischen Geschichte – wobei sich ihre Begriffe und Bedeutungen durch diese Spiele manchmal radikal verschieben'.

Inmitten einer Holzkonstruktion wird im Loop eine Sequenz aus Bob Clarks Film 'Porky's' von 1981 gespielt, wobei der Soundtrack durch Morton Subtoniks 'The Wild Bull' (1968) ersetzt wurde. Die Form des Objekts erinnert sowohl an ein übergrosses Megaphon, als auch an ein Versatzstück aus einer von Kelleys früheren Performances, 'Perspectaphone' (1978). Der Betrachter ist gezwungen, auf allen Vieren durch einen der beiden tunnelartigen Eingänge zu kriechen, um einen Auszug des Films zu sehen, eine Slow-Motion-Fassung der berüchtigten Nacktszene in der Dusche. In einem grotesken und komischen Spektakel erzeugt Kelley eine voyeuristische Erfahrung, die den Betrachter zurückversetzt in abenteuerliche Eskapaden von Heranwachsenden. Das Objekt kann auch als Parodie auf die rationalen Formen minimalistischer Skulptur gelesen werden und verkörpert so die Zielsetzung des Künstlers, sich formalen Kunstpraktiken und Bildungsnormen zu entziehen.

Durch die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Künstlers in Detroit und Ann Arbor und mit den selten gezeigten Werken aus dem Archiv der Stiftung bietet 'Mike Kelley. God's Oasis' eine neue Perspektive auf Kernthemen der Arbeit des Künstlers wie Schulbildung, Erinnerung und Verdrängung. Über den Künstler

Mike Kelley wurde 1954 in Wayne, Michigan geboren und er starb 2012 in Los Angeles. Sein Werk war Gegenstand zahlreicher internationaler Ausstellungen, darunter 'Kandors: 1999–2011', Hauser & Wirth, Los Angeles, 2017; eine Retrospektive, 'Mike Kelley', im Stedelijk Museum, Amsterdam, 2012, im Centre Georges Pompidou, Paris, 2013, im Museum of Modern Art/PS1, New York, 2013 und im Museum of Contemporary Art, Los Angeles, 2014; eine permanente Installation im öffentlichen Raum samt begleitender Ausstellung, 'Mobile Homestead' im Museum of Contemporary Art Detroit, Detroit, 2013; 'Mike Kelley: Kandors', Museen Haus Lange, Haus Esters, Kunstmuseen Krefeld, Krefeld, 2011; 'Mike Kelley: Educational Complex Onwards: 1995–2008', WIELS Centre d’Art Contemporain, Brüssel, 2008; 'Petting Zoo' bei Skulptur Projekte Münster, Münster, 2007; 'Profondeurs Vertes' im Musée du Louvre, Paris, 2006; 'The Uncanny', ein kuratorisches Projekt, das 2004 in der Tate Liverpool und im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien, präsentiert wurde; eine 1993 im Whitney Museum of American Art, New York, eröffnete Retrospektive seiner Arbeiten; documenta IX (1992) und documenta X (1997) in Kassel; mehrfache Teilnahme bei der Whitney Biennale, New York; und viele weitere Einzelausstellungen in Museen und Galerien.

Werke von Mike Kelley befinden sich u.a. in folgenden Sammlungen: Metropolitan Museum of Art, New York; Museum of Modern Art, New York; Solomon R. Guggenheim Museum, New York; Whitney Museum of American Art, New York; Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles; Museum of Contemporary Art, Chicago; Walker Art Center, Cincinnati; Museum of Fine Arts, Boston; Detroit Institute of Art, Detroit; Museo Jumex, Mexiko-Stadt; Centre Georges Pompidou, Paris; Fundacion 'la Caixa', Madrid; und Museum Moderner Kunst, Wien.

Kelley war Mitglied von Destroy All Monsters, einer improvisatorischen Noise-Band (mit den Künstlern Cary Loren und Jim Shaw), die international aufgetreten ist. Der Teil der Gruppe für bildende Kunst, The Destroy All Monsters Collective, wurde auf der Whitney Biennale 2002 vorgestellt. Kelley hat mehrere Bände kunsttheoretischer Schriften veröffentlicht, 'Foul Perfection: Essays und Criticism' (2002), 'Minor Histories: Statements', 'Conversations, Proposals' (2004) und 'Mike Kelley: Interviews, Conversations and Chit-Chat' (2005), letzterer eine Sammlung seiner Interviews mit bedeutenden zeitgenössischen Persönlichkeiten.