Die aktuelle Ausstellung in der Leipziger Galerie EIGEN + ART gibt einen Überblick über das weitreichende Schaffen des Dresdener Künstlers Karl-Heinz Adler. Adlers Werke folgen einem regelhaften System und dem Konzept der Serie. Verschiedene Werkphasen bauen aufeinander auf und jede neue Serie kann als Weiterentwicklung der alten verstanden werden. Anhand einer Auswahl von Arbeiten, die zwischen 1960 und 2017 entstanden sind, reagiert die Ausstellung auf Adlers künstlerisches Schaffen und verortet es in den Räumen der Galerie noch einmal neu.

Adler, 1927 in Remtengrün im Vogtland geboren, studierte zwischen 1947 und 1953 Kunst an der Dresdner Akademie sowie in West-Berlin. Ab 1955 arbeitete und forschte Adler als Dozent für Architektur und Bauplastik an der Technischen Hochschule in Dresden. Parallel dazu entstanden ab 1957 freie konstruktivistische Arbeiten, die so genannten „Schichtungen“ und später die „Seriellen Lineaturen“ sowie erste reliefhafte Gestaltungen von Flächen mit vorgefertigten seriellen Baukastenelementen unterschiedlichster Materialien und Farben.

Bei der Arbeit mit seinen Studentinnen, entdeckte Karl-Heinz Adler, dass „durch Schichtungen einfacher geometrischer Elemente und bei Beachtung bestimmter Gesetzmäßigkeiten unterschiedlichste Räume entstehen können, die eine imaginäre Wirkung ausstrahlen“. Diese Thematik ließ ihn fortan nicht mehr los: „Ich wollte die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzeigen, die in der zugrunde gelegten Ausgangsform stecken. Mich interessierten die teils abgeschlossenen Ergebnisse einer Bewegung zwischen Anfangs- und Endpunkt sowie die teils offene, durch weitere Schichtung fortsetzbare Bewegung.“**

Eine Grundkonstellation wird in einer Reihe von Varianten durchgespielt. Dieses Produktionsprinzip der Schichtung in geometrischer Strenge ist auch in späteren Werkserien mit anderen Materialien und Techniken ein immer wiederkehrendes Motiv geblieben. In Adlers Anfang der Sechziger entstandenen zarten Schichtungen und Glasobjekten etwa, fächern sich die Flächen in reizvoll diskretpoetischen Nuancen der Farbsättigung auf.

Der Prozess der Formung, Zerstörung und Neuformierung, von Ordnung zu Chaos und von Chaos zu Ordnung wurde zum anhaltenden Thema von Adlers künstlerischer Arbeit. Ein Beispiel dafür, ist die immer wiederkehrende From des Dreiecks: Dreiecke schieben sich in exakten Formationen ineinander oder fächern sich in strengen, symmetrischen Ordnungen auf. Form und eine reduzierte Farbpalette – Adler beschränkte sich strikt auf zwei Grundfarben pro Bild – verschmelzen zu einer klaren ästhetischen Einheit.

Neben dem Prinzip der Schichtungen hat Adler das Grundprinzip der Serialität sowohl in der Linie wie in der farbigen Fläche immer weiter vorangetrieben. Mit seinen in der zweiten Hälfte der Sechziger entwickelten „Seriellen Lineaturen“ radikalisiert er das Spiel mit der reduzierten Form und der räumlichen Täuschung. Als Betrachter*innen wird man förmlich in seine Illusionsbilder hineingesogen.

Anfang der Neunziger beginnt Adler quadratische und rechteckige Leinwände zu zerlegen, um sie dann in immer neuen Kombinationen und nach einem modularen System zusammenzusetzen. Dabei wird ein „Grundgedanke nach unterschiedlichen Ordnungsprinzipien“ durchgespielt und gleiche Elemente seriell übereinander geschichtet.

Ein ähnliches Prinzip wendet Adler auch für seine skulpturalen Objekte an. Die meisten von Adlers Objektschichtungen sind an der Wand hängende Reliefs, die trotz der Betonung ihrer voluminösen Form, niemals ganz vom Tafelbild abrücken. Gleichermaßen entstehen weitere plastische Arbeiten, die auf dem Boden im Raum und nach dem Prinzip der Serie angeordnet sind und doch transformieren sie die regelhafte Systematik und das Konzept der Serie, die Adlers Werken zu Grunde legen, in den Raum.

Der ungarische Künstler Imre Bak (*1939 in Budapest) widmet sich in seiner Arbeit der Entwicklung einer Ausdrucksform universeller Gültigkeit, mit der er nach der Offenlegung unsichtbarer Aspekte der Realität strebt. Mit der kritischen Verwendung folkloristischer Formenelemente und der Abwandlung dieser in zeitgenössische Variationen, erreicht er eine eklektische Formensprache. In einer Zeit tiefster Abschottung Ungarns entwickelte er diese anhand von Übersetzungen theoretischer Literatur als Samizdat (im Selbstverlag erschienene, teils verbotene Literatur in der Sowjetunion) sowie importierten Kunstkatalogen, durch die er mit Künstlern wie Frank Stella, Jackson Pollock und Robert Rauschenberg in Berührung kam.

In den 1960er Jahren wurde in Ungarn ein Verbot unter anderem gegen abstrakte Kunst ausgesprochen, was den Ausschluss dieser aus Museen und offiziellen Galerien bedeutete. Zur Klassifizierung von Kunstwerken wurde eine Kulturpolitik der „drei T’s“ entwickelt: Tiltott, Tűrt,Támogatott (Verboten, Toleriert, Gefördert). Um nicht verboten zu werden, mussten Künstler eineoft verrätselte, gedämpfte Sprache entwickeln, die für uns heutzutage schwer nachvollziehbar ist.

Eine Reise durch Europa, die Bak 1964/65 in Begleitung seines Künstlerkollegen István Nádlerunternahm, und die ihn nach Paris, London und Venedig trug, beschreibt er als Initiationsmoment. Hieraus ergaben sich die in seinen Bildern zu erkennenden Einflüsse durch die damals im Westen bereits etablierten Kunstarten wie dem französischen Tachismus, dem Minimalismus, der Hardedge-Malerei und der geometrischen Abstraktion.

In seinem Werk dient die Linie zur Konstruktion seines zentralen Interesses: dem Phänomen des Raums. Dadurch öffnet er Assoziationen zu urbanen Landschaften und räumlichen Situationen. So belegt er auch, dass er einen nicht unwesentlichen Teil der Inspiration zu seinen Farb- und Formkombinationen durch die postmoderne Architektur und ihre Theoretiker (Charles Jencks, Memphis Group, Studio Alchimia) erhielt. Formen verwendet Bak dabei jedoch nicht als rein architektonische Elemente, sondern eher als markante Ornamente.

Durch eine kaum wahrnehmbare, ganz leicht verunschärfende Grundschicht erreicht er den Effekt, dass die vollendete Fläche trotz der sich überlagernden Formen nie geschlossen wirkt, sondern dem Betrachter zugänglich bleibt. Diese Situation beinhaltet eine spirituelle Qualität, deren Offenlegung, laut Imre Bak, Aufgabe des Künstlers ist. Diese Aufgabe lässt sich mit den Worten des konstruktivistischen Pioniers Lajos Kássak beschreiben: „Der heutige Künstler als Mensch mit Weltanschauung bringt wieder wie eine Offenbarung seine Kunst mit. Nicht das Bild der Welt, sondern das Wesen der Welt.“ (1920er Jahre, Manifest zum Konstruktivismus)

Die politisch aufgeladene Bedeutung lag verborgen hinter Imre Baks scheinbar unbeteiligter linguistischer und visueller Semiotik. Dies rückt ihn in die Nähe des im Hauptraum der Galerie gezeigten Karl-Heinz Adler, dessen geometrischen Formengebilden unter einer der Abstraktion feindlich gegenüberstehenden Kulturpolitik in der DDR ein deutlich subversiver Charakter zugesprochen werden kann. Immer wieder gibt es Überschneidungen, Begegnungen, Kongruenzen zwischen Karl-Heinz Adler und Imre Bak. Erste Kontakte gab es in den 1970er Jahren – eine inhaltliche Ebene verbindet die beiden Künstler aber seit Anbeginn ihres Schaffens.

Durch seine persönlichen Beziehungen zu Künstlern wie István Nádler, Dóra Maurer und eben Imre Bak stand Karl-Heinz Adler in Kontakt mit der ungarischen Kunstszene. Die ähnliche Lebenssituation unter einem System, dessen repressive Kulturpolitik abstrakte Kunst ablehnte, hatte jedoch inhaltliche und formale Parallelen zur Folge. Die Ähnlichkeiten in der Formensprache der beiden hier ausgestellten Künstler zeugt von einer Geistesverwandschaft, die aufgrund von äußeren Einflüssen entstanden ist. In den Räumen der Galerie EIGEN + ART Leipzig lässt sich diese Geistesverwandschaft nun nachvollziehen.