In seinen Arbeiten entwirft John Bock mannigfaltige Bedeutungs- und Realitätsverschränkungen, deren Sinn niemals dauerhaft festgeschrieben werden kann. Sie bewegen sich zwischen Installation, Performance und Film sowie überbordendem Material- und Sprachexperiment, sodass klare Gattungsgrenzen durchlässig werden. Sowohl auf formaler und inhaltlicher Ebene in ein offenes Bezugsystem eingebunden, mutieren sie zu ausufernden und detailreichen Versuchsanordnungen, in denen immer wieder versteckte Wirklichkeitsfragmente offen gelegt werden. In den letzten Jahren hat insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Medium Film einen immer größeren Stellenwert in der künstlerischen Praxis John Bocks eingenommen. Während er zunächst Videos aus seinen Live-Aktionen heraus entwickelte, entstanden zunehmend komplexere Filme, unter Rückgriff auf unterschiedliche kinematografischen Typologien.

In seiner Ausstellung bei Sprüth Magers präsentiert John Bock erstmalig seinen neuen Film Unheil. Vor der Kulisse eines mittelalterlichen Dorfes, kehrt der Künstler in das finstere Zeitalter zurück und zeichnet eine undurchsichtige und sinistere Filmwelt. Eine Mutter soll ihr krankes Kind dem Wald opfern – Sie weigert sich, doch das Kind verschwindet spurlos. Kurze Zeit später wird ein Fremder mit schamanischen Fähigkeiten aus dem Wald geboren, der ihr seine Hilfe bei der Suche nach dem Kind anbietet. Mit Hilfe fantastischer, skulpturaler Apparaturen vollführt er mystische Rituale und Illusionstricks und versetzt die Frau in halluzinatorische Zustände. Auf der Suche nach Erkenntnissen verliert sich die Protagonistin in einem Netz mehrdeutiger Bilder, in dem sich ihr immer wieder partiell Verdachtsmomente erschließen. Folgt der Film zunächst noch einem linear-narrativ angelegten Handlungsstrang, löst sich dieser allmählich in verdichtete und einander überlagernde Bildebenen auf. John Bock setzt bewusst filmische Montagemittel wie Überblendungen, Wiederholungen und Irritationen ein, um klar abgrenzbare Erzähleinheiten zu verwischen und in ein komplexes Netz aus Assoziationen aufzulösen.

Auch die Funktion von Sprache wird zunehmend durch die Wirkungskraft der Bilder abgelöst. Indem der Fremde ein Vokabular schafft, das über vertraute linguistische Systeme hinausgeht, kommt sein Auftritt auch einer Zerstörung vertrauter Sprache gleich. Grundsätzlich stehen Bilder und kaum dechiffrierbare Wortgebilde innerhalb des Filmes immer wieder in einer dialogischen – nicht illustrierenden – Beziehung zueinander. Es entsteht ein äquivalentes Verhältnis zwischen Wort und Bild, das den möglichen Bedeutungshorizont des jeweils anderen zu potenzieren scheint und eine Neubefragung der Parameter der eigenen Wahrnehmung notwendig macht. Schließlich widersetzt sich das Dargebotene kontinuierlich einer eindeutigen Lesbarkeit und so verlieren auch die Betrachter_innen innerhalb des verschachtelten Gefüges aus Bildern, Bedeutungen und Gedankenverknüpfungen zunehmend den Boden unter den Füßen.

Im großen Ausstellungssaal wird der Film durch eine Präsentation von Environment-Skulpturen erweitert. Als eine besondere Freiheit des Mediums Film versteht John Bock die Möglichkeit, sich auf Details und einzelne Facetten der Narration konzentrieren zu können. Diese Funktion übernimmt im Rahmen der "Summenmutation" die Lichtdramaturgie. Während die Skulpturen überwiegend in der Dunkelheit des Raumes verborgen bleiben, setzt die punktuelle Beleuchtung Kontrapunkte und übernimmt die Funktion einer semantischen Verknüpfung verschiedener Objektkomponenten. In ihrer Funktion changieren die abstrakten Apparaturen und Illusionsmaschinen zwischen Requisite und Akteur und tragen immer auch einen Teil der Erzählung in sich. Sie operieren nicht nur als bloßes Objekt, sondern führen den Handlungsstrang des Filmes im Ausstellungsraum fort. Die Besucherinnen bewegen sich in einem Labyrinth, in dem sich die Bedeutung der Skulpturen immer erneuert. In der Mitte des Saales durchzieht zudem ein T-Träger den Raum, dessen oberes Ende sich in der Dunkelheit zu verlieren scheint. Anlässlich der Ausstellungseröffnung wird dieses Objekt in eine Performance des Künstlers einbezogen. Mit seiner Ausstellung realisiert John Bock eine undurchdringliche, düstere Bild- und Wortwelt, in der sich die Raum- Zeit und Sinneswahrnehmungen der Betrachterinnen auf ihrer Suche nach einer in der Dunkelheit verborgenden Bedeutung kontinuierlich verändert.

John Bock (*Gribbohm) lebt und arbeitet in Berlin. Zuletzt fanden Einzelausstellungen seiner Arbeiten in den folgenden Institutionen statt: Fondazione Prada (2018); Contemporary Austin (2017); La Panacée, Montpellier (2017); Berlinische Galerie (2017); Bundeskunsthalle Bonn (2013); Kunstverein Hamburg (2013); Städel Museum, Frankfurt (2012); Temporäre Kunsthalle Berlin (2010). Ausgewählte Gruppenausstellungen umfassen: Montréal Museum of Fine Art (2017); Kunsthalle Rostock (2017); Marta Herford (2017); Schirn Kunsthalle, Frankfurt (2016); Kunstmuseum Wolfsburg (2016); Guggenheim Museum, New York (2015); 55. Venedig Biennale (2013); Museum of Contemporary Art Tokyo (2011) und Documenta 11, Kassel (2002).