“Sich mit Francesco Clementes Bildern auseinander zu setzen, bedeutet unweigerlich in die Welt moderner Träume und Sehnsüchte zu blicken.” — Norman Rosenthal

Die Direktoren von BlainSouthern freuen sich, Francesco Clementes erste Einzelausstellung seit sechs Jahren in Berlin zu präsentieren. Die Ausstellung umfasst drei große Zelte, die sowohl von innen als auch von außen vollständig mit aufwendigen Details bemalt wurden.

Zelt-ähnliche Bauten, deren Ursprünge sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen, gelten seit über 3000 Jahren (und seit ihrer Einführung als Behausung) als Ort von Geborgenheit. Clementes Zelte stehen in Bezug zu dieser langen Geschichte. Ihr Kontext wird hier allerdings immer wieder aufgebrochen oder fragmentiert und mit unzähligen kulturellen, kunsthistorischen Referenzen zusammengeführt. Die einzelnen Konstruktionen lassen den Betrachter in eine üppige, farbenreiche Umgebung eintauchen und vereinen dabei, entsprechend den nomadischen Bestrebungen des Künstlers selbst, östliche und westliche Kunsttradition, Philosophie und Religion.

Clemente beschreibt die in Indien produzierten Zelte als seine „Höhlenmalereien“, unter denen man Schutz suchen und schlafen kann, innerhalb deren man träumen und beten kann – mobile Kapellen der Kontemplation in einem durch digitale Geschwindigkeit definierten modernen Zeitalter. Sie erweitern die traditionelle Beziehung zwischen Kunstobjekt und Betrachter, weil sie den Betrachter nicht nur umgeben, sondern förmlich einhüllen – eine sowohl visuelle als auch fühlbare Bilderfahrung.

Standing With Truth (2013) wurde nach einem Gedicht des indischen Mystikers und Dichters Kabir benannt. Bei ihm heißt es: „I eat with truth, I sleep with truth, I sit with truth, I stand with truth.” In dem Werk sind unterschiedliche Varianten menschlichen Handelns in einer Vorstellungswelt dargestellt, die Fragen zur unmittelbaren Erkenntnis und Wahrheit des Seins aufwerefen. Es gibt hier ein Zusammenspiel zwischen anthropomorphen Formen und Tiergestalten, fließende Übergänge zwischen Menschen- und Tierwelt, die die Existenz eines intrinsischen Ur-Instinktes suggerieren. Über dem Eingang befindet sich ein geflügeltes Tier mit menschlichen Zügen und die Arbeit ist von vielen weiteren Kreaturen wie Bienen, Delphinen und Spinnen bevölkert. Diese zart geformten Tiere und Insekten implizieren ihrerseits eine Ur- Symbolik.

Das Museum Tent (2013) enthält eine Reihe von emblematischen Selbstporträts, die in kunstvolle Rokoko-Rahmen eingefasst sind. Jedes Bild sprengt hier allerdings den Rahmen, bricht mit dem Illusorischen dieser sonst formalen Porträts. Die Arme des Künstlers breiten über den Bildrand hinweg ein Tigerfell aus; eine Angelrute ragt aus der Bildfläche heraus, an ihr baumelt ein Fisch schlaff über dem türkisfarbenen, scheinbaren Abgrund, der Abgrenzung des Zeltes.

Spielerisch erkundet Clemente Aspekte persönlicher Identität, untergräbt Konventionen. Inmitten einer gemusterten Grisaille aus tierischen, botanischen und numerischen Holzschnitten, sind außen am Zelt Bilder von Fassaden bekannter Museen gemalt, schwebende Ovale in Ocker und Umbra, die aus dem geographischen Kontext gegriffen sind.

Taking Refuge (2013) konfrontiert uns mit einem dunklen Innenraum, an dessen Wänden eine Vielzahl von blauen und grauen Buddhas gemalt wurden. Sie sind verschieden groß und scheinen ineinander zu verschmelzen: Köpfe verschwinden in Torsi, lassen neue Formen entstehen, die aus einer Masse verbundener Körper blühen. Die Tierköpfe von Katzen und Mäusen etwa, die auf den Buddah-Körpern sitzen, beziehen sich auf die Zyklen von Leben und Tod, Untergang und Wiederkehr. An der Außenseite des Zeltes trifft eine bunt-fragmentierte, camouflageartige Oberfläche auf gestickten Goldlinien, innerhalb derer in großen Lettern das Vajrayana-Gelübde der „Zuflucht“ gedruckt ist.

In eindrucksvoller visueller Form zeigt Tents eine einzigartige Inszenierung Clementes bruchstückhafter Vorstellungen des Selbst. Der Künstler bedient sich einer eklektischen visuellen Sprache, bei der westliche Bildmetaphern mit seinem ausgeprägten Interesse für spirituelle, mystische und historische Traditionen des Ostens zusammenlaufen. Unter dem Einfluss der Tradition von italienischer Freskenmalerei und der Philosophie der Renaissance verbindet der Künstler eine breite indoeuropäische Vision, wie es sie einst in der Antike gab, mit zeitgenössischen Szenarien und Themen und präsentiert uns dabei die unvermeidlichen Bruchstellen.

Galerie Blain Southern
Potsdamer Straße 77–87
Berlin 10785 Deutschland
Tel. +49 (0)30 644931510
berlin@blainsouthern.com
www.blainsouthern.com

Öffnungszeiten
Dienstag - Samstag
Von 11.00 bis 18.00 Uhr