Eine Zeptosekunde ist ein Billionstel einer Milliardstel Sekunde (10-21 Sekunden) und damit die nach heutigem Stand der Forschung kleinste Zeiteinheit. Mit dieser Antwort scheint jedoch die oben formulierte Frage von Maureen Kaegi (geb. 1984 in New Plymouth, Neuseeland) nur unzureichend beantwortet. Was Zeit und deren Intervalle für sie bedeuten, lässt die in Wien und Zürich lebende und arbeitende Künstlerin in ihrer Ausstellung bei KOENIG2 in Form einer experimentellen Observation erproben: Zwei miteinander an den jeweiligen Rückseiten verbundene, gleichgroße (je 245 x 190 cm) Leinwände schweben über dem Boden und drehen sich sanft und kontinuierlich in eine Richtung. Ihre vertikale Ausrichtung suggeriert eine Markierung, während die gleichmäßige Entfernung zu den Ausstellungswänden klare Distanz erzeugt.

In gewohnter Manier sind es Arbeiten, die zwischen technischer Präzisionsarbeit und optischer Unschärfe oszillieren. Maureen Kaegi arbeitet oft mit verschiedenfarbigen Pigmentstiften, um geometrische Liniengeflechte zu erzeugen, die sich vor dem Auge zu verflüssigen, zu flirren und sich zu bewegen scheinen. Sie erschafft somit optische Fehler, bekannt auch als shifting-baseline effect bis hin zum Moiré-Effekt. Diese Interferenzen verstärken sich nun um ein Vielfaches, da sich die aufgespannten Leinwände, entgegen ihrer statischen Natur, tatsächlich um ihre eigene Achse drehen. Zusätzlich muss der fokussierte, aber immer flüchtige Blick des Betrachters mit Verschiebungen und Überlagerungen in einem der beiden Bilder zurechtkommen. Dass sich die janusköpfigen Oberflächen unterscheiden ist unmittelbar, jedoch eröffnet diese Differenzierung zudem einen formalen Entwicklungsschritt: Die Künstlerin führte bei der zwei Jahre älteren Arbeit noch eine strenge Konsequenz, wohingegen die jüngere Arbeit deutlich aus der Ordnung zu geraten scheint und Teile der grundierten Leinwand sichtbar werden. Der direkte visuelle Vergleich der künstlerischen Evolution bleibt jedoch durch die konstante Drehung verwehrt.

Kaegis Interesse gilt bewusster (gesellschaftlicher) Kurzsichtigkeit und dem unaufhaltsam scheinenden Beschleunigungszwang. Nicht zufällig wirken ihre Bilder deshalb auch wie Displays und digitale Screens, nicht von ungefähr erscheinen sie beinahe wie Projektionen, dessen unaufhörliches Rauschen als Erinnerung an einen systemischen Defekt besteht. Bemerkenswert ist, dass sie diesen gegenwärtigen Problemen mit analogen Arbeitswesen entgegnet: Malerei, Fotografie oder wie hier Zeichnung und Performance sind ihre bevorzugten Medien. Anstatt selbst oder mit Tänzern den Ausstellungsraum und die darin enthaltenen Objekte in einer Choreografie herauszufordern, ist es bei dieser Installation die Leinwand selbst, die das redundante Bewegungsmuster verinnerlicht. Dreifache Beschleunigung in Einem – im Flirren der Linien, der verrückten Leinwand und dem Perspektivenwechsel durch Rotieren der Arbeiten – entgegnet Maureen Kaegi einer Gesellschaft, die ihre eigene Bewegung unterbrechen muss um der ihren gewahr zu werden.