Die Galerie Hubert Winter zeigt eine Auswahl an Fotografien von William Anastasi und Objekten von Dove Bradshaw, die von ihr auf subtile Art und Weise choreographiert wurden. Sie analysieren die Konsequenzen von Freiheit, Eventualität, Automatismus. Obwohl Anastasi und Bradshaw offensichtlich verschiedene Sprachen verwenden und sich scheinbar mit verschiedenen Themen befassen, bilden Überschneidungspunkte eine gemeinsame Basis. Die Untersuchung absoluter Einfachheit ohne jeglicher Art von Illusionismus, kennzeichnet sowohl die Werke von William Anastasi (1933 in Philadelphia) als auch von Dove Bradshaw (1949 in New York; wo sie seit 1974 arbeiten und gemeinsam leben). Die ausgestellten Arbeiten erforschen gleichzeitig die Möglichkeiten / Unmöglichkeiten der Repräsentation, von Konstruktion wie auch Destruktion von Bildern und Narrativen.

Im Kern der Präsentation von Anastasi steht die Grundidee, die 1966 in den Fotosilkscreens „wall on the wall“ entstand, die den Ort selbst zum Thema machte. Die in der Galerie Winter produzierten In-Situ-Arbeiten vollziehen den nächsten Schritt nach: Die Einbeziehung der reflektierenden Natur der Retina, eines Spiegels, einer Fotografie und deren Montage. Schließlich richtet sich der Fokus auf die Kamera selbst: Dies ist Anastasis erste Ausstellung, in der der Fotoapparat zum Subjekt der Fotografie wird. Anastasis Arbeiten umfassen den gesamten Diskurs über die Berechtigung der Fotografie, ihre künstlerischen und dokumentarischen Werte, die Repräsentation, die Tradition des Porträts (Fotografien, Reflexionen, Schatten und Kameras erschweren eine richtige Darstellung) und im weitesten Sinne den Akt des Sehens. Indem er die Reflexionen auf Glas oder Plexiglas, die man gewöhnlich ausblendet, um ein Bild zu sehen, miteinbezieht, lenkt er den Blick und die Aufmerksamkeit auf das Unsichtbare, das Unbeachtete. Gleichzeitig hinterfragt und verstärkt er den dokumentarischen Wert der Fotografie. Auf der einen Seite zeigt er den Apparat selbst und weist auf dessen schlichtes Sein und seine Funktion als Spiegel hin, der sowohl enthüllen aber auch verschleiern kann. Zum Anderen bekräftigt er den Beweiswert, das Hier und Jetzt, indem er in situ produziert und damit das tatsächliche Ereignis eines bestimmten Zeitpunkts des Daseins unter bestimmten Umständen festhält. Somit geht es um Reproduktion im Zusammenspiel mit den performativen Aspekten von Neuinszenierung und Kontingenz.

Obwohl sie mit anderen Mitteln arbeitet, verhandelt Dove Bradshaw in ihrer Praxis dieselben Themen. Sechs ausgewählte Elemente des Periodensystems – Blei, Silber, Gold, Schwefel, Quecksilber, Arsen – beziehen sich jeweils auf einen bestimmten Mythos oder ein Märchen. Ungewöhnlich für Dove Bradshaw, sind diese Grundbausteine zu konkreten Gegenständen geformt – Apfel, Ei, Feder, Kugel, Büste und Figur. Der Betrachter wird in einer Art mythologischen Reise durch die Objekte geschickt: zwischen Himmel und Hölle durch Lucifer, einer lebensgroßen Büste von Anastasi, die in Schwefel gegossen wurde, zum verlorenen Paradies durch Eden Myth, ein aus Apfelkernen geformter Apfel.

Schwefel selbst definierte C. G. Jung nicht nur als die Seele der "Metalle", sondern aller Lebewesen. Die Idee einer Reise zwischen Leben (Nothing, das wahrgewordene Goldei) und Tod (Spent Bullets) wird auch in der kleinen Statue von Merkur, dem Götterboten, Gott der Händler und Diebe, dargestellt. Die neue Arbeiten sind Teil eines unendlichen Spiels von Querverweisen und können einen endlosen, gespiegelten und spiegelnden Kosmos schaffen.

[…] there is not an all, given all at once: there is a finite number of elements whose combinations are multiplied to billions of billions […]

(Italo Calvino. The Castle of Crossed Destinies)