Daniel Marzona freut sich, die von Burkhard Brunn kuratierte Gruppenausstellung „Memento Mori“ ankündigen zu dürfen.

Das „memento mori“ war in der niederländischen Stillebenmalerei des „Goldenen Zeitalters“ die Mahnung, inmitten der Köstlichkeiten des Lebens auch an das Ende zu denken, ausgedrückt in den sogenannten Vanitas-Symbolen: die verlöschende Kerze, das umgestürzte oder schon halb leere Glas, die Geige, die Flöte und die kalte Tonpfeife (daher: nur Schall und Rauch. Vanitas: lat. „eitel“ im Sinne von „umsonst“. Vgl. „vereiteln“) und der gefährlich über die Tischplatte ragende Teller. In der Landschaftsmalerei des niederländischen Barock gilt der abgebrochene oder quer liegende Baumstamm als Todessymbol. Die Vergänglichkeit des Lebens im Sinn entsteht der Eindruck von Unsicherheit, nichts scheint fest, alles schwankt, alles schwindet: Dafür gibt es im Englischen den Ausdruck „precariousness.“ „Prekariat“ hat der Soziologe Ulrich Beck die Gruppe von Menschen genannt, deren Existenz hauptsächlich durch Unsicherheit gekennzeichnet ist. Unsere Ausstellung steht in dieser Tradition der großen Kunst und verweist zugleich auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse – allerdings ohne den Anspruch, dem Zeitgeist Ausdruck zu verleihen. Die Absicht ist, Tradition und Aktualität zu verbinden.

Der an allen sechs Seiten mit Rädchen bestückte Würfel erscheint als Symbol der Mobilität, eine Hauptdimension der Moderne, doch kann sich das Objekt kein Stück weit bewegen, weil die Rädchen unterschiedlich groß sind. Tragisch ist diese Lähmung, weil die Mobilität gerade dort versagt, wo sie so vielversprechend aussieht (John Beech, USA). Ein schräges Objekt aus Pappe und Dachlatten, das umzufallen scheint, verspricht keine lange Lebensdauer (Kirstin Arndt, D). Ein unordentlicher Stapel von Modulen erinnert an die Installation, die sie einmal gebildet hatten, als sie noch miteinander verschraubt waren: vorbei (Charlotte Posenenske, D). Vorbei ist es auch mit einigen gegenständlichen Arbeiten (Ben Greber, D). Zerlegt und in Vitrinen inventarisiert, erleben sie ihre Auferstehung.

Zwei weiße, quadratische Rahmen stehen aneinander gelehnt auf dem Boden, oben leicht ineinander geschoben, sodass sie nicht umfallen, aber die Möglichkeit des Umfallens ist stets vorstellbar (Michael Reiter, D).Ein vergrößertes Polaroid, das abstrakte, schlierenartige Farbmuster zeigt, hat seinen Ursprung im Bemühen der Künstlerin (Marike Schuurman, NL), die im Rahmen des Clean City Law von Werbeflächen befreite Innenstadt von Sao Paulo zu dokumentieren. Die Haltbarkeit des Filmmaterials war lange abgelaufen, so dass das, was es nicht mehr zu sehen gab, nun tatsächlich nicht zu sehen ist. An Vergänglichkeit erinnert der rot blühende Rost auf einer Stahlplatte, eben darum ist im Alltag Rost so verhasst (William Anastasi, USA). Ein Gemälde zeigt mit querem Geäst ein undurchdringliches Unterholz, in das man weder hineinkommt noch herauskommt (Sid Gastl, D). In einem „bewegten Bild“ schmelzen Eisstücke mit ihren Schatten auf einem Teller. Der Betrachter sieht sie langsam verschwinden (Martina Wolf, D). Eine grobe, im Brand geborstene Vase aus Steingut hat Risse, die an das endgültiges Auseinanderfallen erinnern (Tsujimura Shiro, J). Vergeblichkeit, Vergänglichkeit, Hinfälligkeit, Umherirren, Verschwinden sind bedrohliche Aspekte prekärer Situationen.