Edmund Kalb (1900–1952) zählt zu den faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sein intensives Werk von über eintausend Selbstbildnissen blieb der größeren Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Von 1926 bis 1930 zwischen der Freiheit an der Kunstakademie München, der geistigen Enge seiner Heimatstadt Dornbirn und der Einsamkeit des entlegenen Bergdorfs Ebnit über Dornbirn pendelnd, entwickelte er sein zeichnerisches Können bis zur völligen Abstraktion. Schonungslos und ohne Kompromisse arbeitete er als „Konzeptkünstler“ in Serien nach seinem eigenen Gesicht, um alle Mittel der grafischen Darstellung auszuloten. Sein Ziel war es, den Vorgang des Denkens selbst sichtbar zu machen und schlussendlich nur noch abstrakte „Energie“ auf das Papier zu bringen, um dann die bildende Kunst als reines Denken weiterzuführen. Zeitlebens verkaufte er kein Werk, dokumentierte sein Schaffen jedoch fotografisch und korrespondierte auf Esperanto mit KünstlerkollegInnen weltweit. Mathematik, Mechanik, Wahrnehmungspsychologie, Atomphysik, Weltraumtechnik und Pflanzenzucht bestimmten ab 1930 sein Denken und prägten zuvor schon seine Selbstbildnisse. Hier finden sich Übereinstimmungen mit Naum Gabo, Alexander Rodtschenko und Künstlern der russischen Avantgarde. Mit Egon Schiele und Richard Gerstl verbinden ihn die Faszination am Selbstbildnis, die Kompromisslosigkeit und die Intensität des Schaffens in kurzer Zeit.

Sein Widerstand gegen jede falsche Autorität führte während des Nationalsozialistischen Regimes zu einer Verurteilung wegen Befehlsverweigerung und einer mehrmonatigen Haft im Militärgefängnis. Auch in der Nachkriegszeit saß Edmund Kalb wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Beamtenbeleidigung mehrere Monate im Gefängnis. Die Folgen der Bestrafung mit verschärftem Kerker führten schließlich zu seinem frühen Tod im Jahr 1952. Sein Schaffen wurde erst posthum bezeichnenderweise von Künstlerkollegen entdeckt und gewürdigt.

Trotz Ausstellungen u. a. in New York, Rom, Dresden, Wien und im Kunsthaus Bregenz, begleitet von umfangreichen Katalogen, bleibt das Schaffen und Leben Edmund Kalbs für die große Allgemeinheit noch eine Entdeckung und Überraschung. Die Ausstellung im Leopold Museum zeigt neben rund einhundert Werken des Künstlers den Film „Erwachen aus dem Schicksal – Hommage to Edmund Kalb“ aus dem Jahr 2002 von Stephan Settele mit Interviews zahlreicher Zeitzeugen und Kunsthistoriker.