Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es drei Frauen, sich als unabhängige Malerinnen Anerkennung und Ruhm zu erwerben. Neben Tina Blau und Marie Egner war es vor allem Olga Wisinger-Florian (1844–1926), deren künstlerisches OEuvre zur Avantgarde der Landschaftsmalerei ab den 1880er-Jahren gehörte. Vielseitig begabt, verfolgte die aus gutbürgerlichem Hause stammende Olga Florian zunächst eine Karriere als Pianistin, die sie 1874 wegen eines Handleidens abbrechen musste. Nach ihrer Heirat mit dem Wiener Apotheker Franz Wisinger wandte sie sich der Malerei zu, erhielt wie üblich Privatunterricht und gehörte schließlich ab 1880 zum engeren Kreis um Emil Jakob Schindler (1842–1892).

Neben Landschaften und Interieurs setzte sich die Malerin vor allem mit dem Motiv der Blume auseinander. Als typisch weiblich konnotiertes Motiv wird sie die Basis für Wisinger-Florians neue malerische Richtung. Mittels scharfer Perspektivenlinien und hoher Horizonte experimentierte die Malerin mit neuen Raum- und Seherlebnissen. Fotografische Parallelen lassen sich mit ihrer Tendenz zu nahsichtigen Aufnahmen erkennen, deren Detailgenauigkeit sie besonders in ihrem Spätwerk zugunsten eines ungewöhnlichen und wegweisenden Farbexpressionismus auflöste.

Olga Wisinger-Florian, die sich auch engagiert für die Rechte der Frauen einsetzte, war eine der meist ausgezeichneten Künstlerinnen ihrer Zeit und zählte den hohen Adel und das Kaiserhaus zu ihren Kunden. Ihre Werke befinden sich heute u.a. im Belvedere, im Leopold Museum, im Museum Niederösterreich, in der Neuen Pinakothek in München und in bedeutenden privaten Sammlungen in Österreich und Deutschland. Das Leopold Museum präsentiert im Frühjahr 2019 die erste umfassende Personale der Künstlerin. Die Ausstellung wird ergänzt mit Fotografien und Dokumenten, besonders mit ihren akribisch geführten Tagebüchern, die einen einzigartigen Einblick in die Gedankenwelt der Künstlerin und in den Entwicklungsprozess ihrer Kunst gewähren.