Wir freuen uns, die Einzelausstellung Humboldt ist niemals da gewesen der Künstlerin Luzia Simons zu präsentieren. Die Ausstellung vereint Fotoarbeiten, Installation und Zeichnung und ist die erste Einzelausstellung der Künstlerin mit Circle Culture. Die ausgestellten Arbeiten befassen sich mit dem brasilianischen Amazonasgebiet, das die brasilianisch-stämmige, in Berlin lebende Künstlerin mehrfach bereiste und erforschte.

Eine zentrale Arbeit der Ausstellung ist die Installation Presence of Absence. Die 48 Aquarelle der Arbeit basieren auf Pflanzenblättern, die die Künstlerin während eines Aufenthalts in der Künstlerresidenz Labverde im Amazonasgebiet bei Manaus gesammelt hat. Das Eintauchen in den Amazonaswald veranlasste die Künstlerin, über die Mechanismen nachzudenken, die den Wald erneuern, annullieren oder transformieren. Als Referenz an europäische Forscher, die Natur in Aquarellen, Zeichnungen und Reiseberichten festgehalten haben, stellt uns Simons in ihrer Arbeit die Flora des Regenwaldes vor. Anstelle einer traditionellen botanischen Illustration konzentriert sich Simons jedoch auf die leeren Räume der Blätter, die die Dichotomie zwischen An- und Abwesenheit bilden. Unter diesem Gesichtspunkt zeugt das Fehlen von Blattmaterie von der ständigen Transformation der Natur unter dem Einfluss von Zeit, Mensch und Tier.

Neben dem Werk Presence of Absence prägt die 12-teilige Serie Humboldt ist niemals da gewesen den vorderen Ausstellungsraum. Sie besteht aus Schwarz-Weiß-Fotografien, welche das Dickicht des Regenwaldes aus unterschiedlichen Blickwinkeln beschreiben. Der Name der Werkreihe, der zugleich den Ausstellungstitel stellt, spielt auf die Tatsache an, dass es dem Naturforscher Alexander von Humboldt nicht möglich war, das brasilianische Amazonasgebiet zu erkunden. Auf seiner Reise durch Lateinamerika Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ihm die Einreise nach Brasilien wegen politischer Differenzen verwehrt. Für die Fotografien der Werkserie hat Luzia Simons einen Polaroidfilm verwendet. Die charakteristische Ästhetik des Sofortbildes mit den weich-milchigen Konturen lässt an historisches Dokumentationsmaterial erinnern. Zugleich verleiht die moderne Technik des Dye-Transfer-Verfahrens, mit dem die Fotografien auf Aludibond aufgebracht sind, den Ansichten eine faszinierende räumliche Wirkung. Durch die großflächige Inszenierung, die den Betrachter in unterschiedliche Blickachsen zu den Werken bringt, laden die Bilder den Betrachter ein, den forschenden Blick der Künstlerin nachzuempfinden und sich mit ihr auf einen visuellen Spaziergang durch den Amazonaswald zu begeben.

Die Installation Olho d’água besteht aus unterschiedlich geformten Kugelsegmenten aus transparentem Plexiglas, welche als Gefäße für verschieden eingefärbtes Wasser dienen. Die Farbgebung repräsentiert die faszinierenden Töne, die das Wasser des Amazonasstroms unter dem Einfluss unterschiedlicher Sedimente annimmt. Das Wasser, das während der Ausstellungsdauer dem Prozess der Verdunstung unterworfen ist, kann hierbei als Metapher für die Mechanismen des amazonischen Ökosystems gesehen werden, welches durch die große Menge verdunstender Feuchtigkeit einen kühlenden und befeuchtenden Effekt auf die globale Atmosphäre hat. In der unausweichlichen Austrocknung der bunten Lachen erscheint die Arbeit zugleich als Requiem für den durch steigende Temperaturen und Niederschlagsveränderungen gefährdeten Wald.

Der hintere Ausstellungsraum präsentiert Fotoarbeiten der Serie Jardim, in denen Luzia Simons Grünpflanzen und Blumen der brasilianischen Flora vor einem tiefschwarzen, diffusen Bildraum inszeniert. Für diese Arbeiten verwendet Simons keine Fotokamera, sondern einen Scanner, mit dem sie eine unvergleichlich räumliche Bildtiefe und eine hohe Detailgenauigkeit erzielen kann. Die Technik des Scannens erstellt im Unterschied zur Fotografie ein nicht fokussiertes und damit höchstpräzises Abbild in hoher Auflösung, das es der Künstlerin erlaubt, die floralen Motive auf große Formate zu übertragen. Die abgebildeten Pflanzen und Blumen erscheinen in den Scannogrammen in einer erhabenen Präsenz, vor der wir uns als Betrachter verschwindend klein fühlen. Die Werke in Jardim zeigen Kompositionen aus Pflanzen wie Monstera, Aloe Vera, Begonie, Agave oder Philodendron, die in Europa als Zimmerpflanzen wohlbekannt sind. Simons inszeniert diese Pflanzen wild wachsend und zugleich stilisiert, zwischen Ursprünglichkeit und Kultivierung. Wie auch in Simons' bekannten Tulpenarrangements der Serie Stockage wird hier die Blume als Ware auf dem lokalen wie globalen Markt zu einer kulturellen Frage, die stellvertretend für die Themen Migration und interkulturelle Identität steht – eine der zentralen Fragestellungen der Künstlerin, nicht zuletzt in Hinblick auf ihren eigenen Lebensweg von Brasilien über Frankreich nach Deutschland.

Die Ausstellung Humboldt ist niemals da gewesen bietet einen individuellen Blick auf den Amazonaswald, dessen Fortexistenz durch menschliche Eingriffe wie großflächige Abholzungen und die Veränderung der klimatischen Bedingungen massiv bedroht ist.

Anlässlich der Ausstellungseröffnung findet ein Gespräch mit Luzia Simons, Lilian Faiji und Johann Haehling von Lanzenauer statt. Lilian Fraiji ist Kuratorin des Programms Labverde, eine Künstlerresidenz in Manaus, Brasilien, das die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Amazonasgebiet und dessen Bedeutung für das Weltklima fördert. Johann Haehling von Lanzenauer ist Inhaber von Circle Culture und konzipierte im vergangenen Jahr den Arts & Nature Social Club, ein Members Club, der durch die Vermittlung von künstlerischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Perspektiven unsere Beziehung zur Natur wiederbeleben möchte. Gemeinsam mit Luzia Simons sprechen sie über die Bedeutung eines intensiven Naturerlebnisses für die künstlerische Arbeit und das individuelle Handeln, sowie den Einfluss der Künste auf eine lebensdienlich strukturierte Gesellschaft. Das Gespräch findet in deutscher und englischer Sprache statt.

Luzia Simons (*1951 in Quixadá, Ceará, Brazil) studierte Bildende Kunst an der Universität Sorbonne, Paris. Ihre Werke sind in internationalen Sammlungen und Museen vertreten, wie im Deutschen Bundestag, Berlin; DZ Bank Kunstsammlung, Frankfurt; Fonds National d‘Art Contemporai, Paris-Ile de France; Museo de Arte Sacra, Belem, Brasilien. Sie lebt und arbeitet in Berlin.