Hubert Czerepoks dritte Soloausstellung bei ŻAK | BRANICKA, Americans, I am Afraid of zeigt eine rezente Serie, die von aktuellsten politischen Geschehnissen inspiriert ist. Auf dem ersten Blick ähneln die Arbeiten einer Ansammlung abstrakter Linien. Bei genauerem Hinschauen erkennt man, dass die Neonschilder die Umrisse ausgewählter Staatsgrenzen, an denen Mauern gebaut worden sind, aufzeigen: zwischen den USA und Mexiko, Israel und Palästina, der Türkei und Syrien, Ungarn und Serbien. Die Installation, die im Zentrum der Galerie präsentiert wird, sieht aus wie ein Berg von Schrott aus zerbrochenen Grenzabsperrungen, jedoch ist ihre Form alles andere als beliebig: Sie kartiert präzise die Kontur der Grenze zwischen Polen und den Nicht-EU-Ländern.

Internationale Grenzen sind politisch entworfene Linien, die gezeichnet werden, um Menschen auf der Grundlage von geografischen Realitäten in Kombination mit ökonomischen und kulturellen Differenzen zu trennen. Rasse, Religion und globale Konflikte spielen alle eine Rolle bei der Festlegung der Art und Weise, auf die sich die Weltkarte auseinanderfaltet. Fluktuierende internationale Grenzen bewegen sich als ein Resultat ihrer eigenen politischen Gegebenheiten. Diese Linien in Bewegung, durch regionale Dispute und weltweite Spannungen elektrisiert und entzündet, formulieren unsere nationalen Identitäten.

Unter dem Vorwand des Schutzes – ob vor Terrorismus, Geflüchteten oder Wildschweinen – werden immer neuere Barrieren errichtet, deren Ziel es ist, manche Menschen von anderen zu trennen. Wissenschaftler merken an, dass es trotz der allgemeinen Globalisierung keine weitere Zeitperiode nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben hat, in der so viele Grenzmauern aufgezogen worden sind, wie die der letzten Jahre. Elisabeth Vallet, Professorin für Geopolitik an der Université du Québec in Montreal und Autorin des Buches Borders, Fences and Walls: State of Insecurity?, rechnet aus, dass alle Grenzmauern aneinandergelegt die gesamte Erde umrunden würden. Ein bemerkenswerter Aspekt dieses Phänomens ist, dass die Mauern nicht von schwächeren Staaten aus Angst vor Angriffen durch stärkere Staaten errichtet werden; im Gegenteil: Solche Grenzen definieren mächtigere Länder, die sich von ihren Nachbarn abzusondern wünschen. Die Grenzen der Länder, die Czerepok für seine Neonarbeiten ausgewählt hat, sie alle verweisen auf Grenzen, die politische und ökonomische Spannungen bezeugen. Die Wahl der Farben ist dadurch bestimmt, welches Land das in der Region am stärksten dominierende ist.

Hubert Czerepok ist fasziniert von der Suche nach den Ursprüngen von Konflikten und des Üblen. Viele Jahre lang waren „Viren“, die die Realität infizieren, das bevorzugte Thema seiner Arbeitspraxis, etwa Chaos, Verschwörungstheorien, paranormale Phänomene, Mysterien der Geschichte – alles, was über soziale Normen und die Grenzen der Kognition und Logik hinausging. In jüngerer Zeit haben sich seine Interessen jedoch zur greifbaren Realität hin verlagert. Americans, I am afraid of, 2018, Neon, 55 x 200 cm DE Sein Projekt Americans, I am Afraid of konzentriert sich auf die Grenzbarriere als Instrument der physischen Segregation und sozialen Separation. Das Phänomen der Trennung des Selbst vom „Anderen“ war bereits in seinen früheren Arbeiten, die sich der Sprache als unsichtbare Barriere und isolierendes Mittel widmeten, präsent. Jene Arbeiten thematisierten Schibboleths (für Ausländische, Fremde oder Feinde schwer auszusprechende Wörter) und die Gewalt von Sprache, die durch eine Affiliation mit bestimmten nationalen oder sozialen Gruppen motiviert ist. Die aktuellste Serie stellt dar, wie einfach eine beliebige abstrakte Form zu einer physischen Barriere mit realen Konsequenzen wird.

Der Künstler hinterfragt die Motivation, die hinter den von Gesellschaften zwischen Menschen errichteten Barrieren liegt. Czerepok versteht Grenzmauern als Symptom mangelnden Selbstvertrauens und Indikator einer verspürten Bedrohung. Wieviel ist eine Nation, deren Identität durch Angst bestimmt wird, jedoch wert? Hubert Czerepok sucht nach den Ursprüngen des Chaos auf der Welt, indem er die Systeme, gemäß welcher die Welt funktioniert, untergräbt und kompromittiert. Seine bevorzugten Sujets umfassen die Kunstwelt, Gut und Böse, die Geschichte der Welt und Gesellschaft. Überall spürt er Viren im System auf: im Üblen, Zufälligen, Feindseligen, oder gar im schlichtweg Dummen. Czerepok ist kein Moralist: Alles, was er zeigen will, ist das Ausmaß des in der Realität vorhandenen Wahnsinns.