Technische Form, Maschinenform, Zweckform, Form ohne Ornament – die Frage nach der Form prägt die programmatischen Auseinandersetzungen im Kontext von Werkbund und Bauhaus.

Welche Form wird als modern verstanden? Welche Rolle spielt dabei die Forderung nach einem neuen Stil? In welchem Verhältnis steht die Formgestaltung zu den Produktionsbedingungen? Welche formalen Eigenschaften hat das handwerkliche oder künstlerische Einzelstück und welche die industrielle Massenware?

Im zweiten Projekt der Ausstellungsreihe »111/99« mit dem Titel »Einzelstück oder Massenware?« wird an ausgewählten Objekten und Dokumenten das Ringen um ein Konzept der modernen Gestaltung im frühen 20. Jahrhundert anschaulich gemacht. In den zeitgenössischen Äußerungen zur Entwurfspraxis und der Produktion von Alltagsdingen ist ein Changieren zwischen dem Gefühl von Bedrohung durch die technischen Entwicklungen und einer Technikbegeisterung erkennbar, eine Zerrissenheit zwischen dem Wunsch nach individuellem Ausdruck und der Notwendigkeit die Bedürfnisse von Massen zu befriedigen, eine Unentschiedenheit zwischen dem Ideal einer vereinheitlichenden Formgestaltung und der Angst vor Gleichmacherei.

Das Werkbundarchiv — Museum der Dinge zeigt im Kontext des Bauhausjahres seit November 2018 bis Ende 2019 eine Ausstellungsserie unter dem Titel »111/99 – Fragen zur Gestaltungssprache der Moderne«.

Zwölf Jahre liegen zwischen der Gründung der Reformbewegung Deutscher Werkbund 1907 und der stilbildenden Kunstschule Bauhaus 1919 – im Jahr 2018 wurde der Deutsche Werkbund 111 und das Bauhaus 99 Jahre alt. Die Jubiläumsdaten als Zahlenspiel aufgreifend, hinterfragt das Werkbundarchiv – Museum der Dinge die programmatischen Schnittmengen beider Institutionen in der Entwicklung einer Gestaltungssprache der Moderne.

Warum haben sich bestimmte Merkmale als Kennzeichen für Modernität entwickelt und gelten trotz aller kritischen Reflexion bis heute als gesetzt: Materialien wie Glas, Stahl, Beton; Begriffe wie Sachlichkeit, Dekorlosigkeit, Funktionalität oder die Reduktion der Farbig- keit auf die Grundfarben und das Spektrum zwischen Weiß und Schwarz. Warum hat sich das von sozialen, politischen und ökonomischen Debatten geprägte Lebensreformkonzept von Werkbund und Bauhaus auf die starre Eindeutigkeit eines rein ästhetisch verstandenen Gestaltungsrezepts oder Musterbuchs reduziert?