Nach seiner großartigen und umfassenden Ausstellung im Archäologiemuseum in Neapel im Juni 2018, in welcher Aron Demetz seine bildhauerischen Arbeiten den im Museum vorhandenen klassischen Skulpturen und Gegenständen gegenüberstellte, hat der Künstler im letzten Jahr nun eine Serie von ganz neuen Arbeiten geschaffen. Die Galleria Doris Ghetta freut sich sehr, diese nun in einer Einzelpräsentation zu zeigen. Im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung werden die Besucherinnen zuerst in das Atelier von Aron Demetz eingeladen, welches sich unweit der Galerie befindet. Dort führt der Künstler die Besucher durch seinen Arbeitsraum, in dem viele skulpturale Arbeiten in verschiedenen Bearbeitungsphasen zu besichtigen sind. Somit kann der Besucher den Produktionsprozess miterleben und nachvollziehen.

Aron Demetz entfernt sich mit seinem neuen Werkzyklus wieder von den Anleihen am klassischen Körperbild, und verbindet die Figuration des menschlichen Körpers mit den sichtbaren Spuren seines Produktionsprozesses. So etwa, indem er die Bronze-Gusskanäle an den Körperaußenseiten seiner Skulpturen bestehen lässt, welche wie ein Netz den Körper in spannender Weise erweitern. Teilweise greift Aron Demetz auch wieder auf die bereits erprobte Technik des Verbrennens von Körpers aus Holz zurück. Diesem zerstörerischen Prozess wirkt er jedoch entgegen, indem er die verkohlten Figuren mit Gips überarbeitet. Er belässt die Oberflächen meist rau und scheinbar unbearbeitet, sodass sich die klassische Figuration nicht in der Ästhetik der Form wiederfindet, sondern vielmehr in einer kraftvollen archaischen Sprache des Materials und seiner Eigenschaften, sowie in einem ungezähmten und damit umso eindrücklicheren künstlerischen Herstellungsprozess.

Auszug aus dem Essay von Alessandro Romanini aus dem Buch von Aron Demetz „Autark“: „Die erste Empfindung entspricht dem Gefühl der Annäherung an den Ursprung der Kunst, das den Künstler dazu treibt, die Spuren der kulturellen Vergangenheit, besonders aber der künstlerischen Form zu untersuchen. Sie ist verbunden mit demütiger Furcht, die sich der respektvollen Erkundung und Betrachtung der Zeugnisse unserer Vergangenheit beigesellt, wie sie seit Jahrhunderten in unserer Kultur, unseren Institutionen, besonders aber in den Werken der plastischen Kunst erkennbar sind.

Die gemeinsame Wurzel abendländischer Kunst und Kultur ist der Ursprung von Prinzipien und Dynamiken, die, offen oder im Verborgenen, durch die Kunst und die Künstler überliefert und anverwandelt wurden. Diese gemeinsame Wurzel liegt in der Verschmelzung der aufmerksamen und mitfühlenden Betrachtung durch den Künstler, jener sinnlichen Erfahrung, die Winckelmann dem Laokoon zuschreibt, mit jener, die Lessing meint, wenn er nach »ursprünglichen« Bildern in Kunst und Dichtung strebt, – ursprüngliche Bilder, Archetypen der Poesie und Kunst, die der Künstler in Form und Material zu erreichen sucht. Auf dieser Wurzel fußt zudem ein Begriff der Geschichte als ununterbrochene Folge von Ereignissen, deren Resultat die Gegenwart ist, im philosophischen wie plastisch-künstlerischen Sinne. Um mit Gustav Mahler zu sprechen: »Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.« (...) Für Aron Demetz stellt das Material ein unendliches Reservoir kreativer Möglichkeiten dar. Viele davon sind durch das Material selbst vorgegeben, durch seine chemisch-physikalischen und unmittelbar wahrnehmbaren Eigenschaften. Für den Künstler ist der Umsetzungsprozess nicht weniger wichtig und zuweilen sogar entscheidender als das Endprodukt. Künstlerisches Tun verschmilzt mithin in einem synergetischen Vorgang. Die künstlerische Arbeit verflicht die Elemente von Zeit – den Entwurfs- und Umsetzungsprozess mit seiner gesamten aleatorischen Dimension – und Raum – die strukturelle Syntax der Plastik, sie verbindet imaginative Abstraktion und operative Konkretheit. Dieser Vorgang verläuft in Probe und Versuch. Ein aleatorischer Prozess auf dem Gebiet des Stofflichen, gezeichnet von Unvorhersehbarkeit und Zufall, Scheitern, Korrektur, Neukomposition und Treue zur Ausgangsidee, vorangetrieben in der Formbarkeit der Vorstellung, geformt am Prüfstein des Materials. Es handelt sich um ein »learning by doing«, aus dem sich vieles lernen lässt, vorausgesetzt, der Künstler ist bereit, die Weisungen, die ihm das Material gibt, anzunehmen und ihnen zu folgen, vor allem aber ist er in der Lage, dem Material schon im Entwurfsstadium einen diesem allein vorbehaltenen Status als »Urheber« einzuräumen. (...)

Das Werk von Aron Demetz ist eng an die Konkretheit des physischen Materials gebunden, auch wenn dieses in erodierter, zerstückelter, verdünnter, verflüssigter oder anders veränderter Form sowie befreit von der mimetischen Repräsentation der Wirklichkeit und dem Figürlichen im weitesten Sinne verwendet wird. Andererseits öffnet es sich in historisch-kultureller Dimension ebenso wie in den unbegrenzten syntaktischen Kontexten des Räumlichen – Installation, Design, Architektur – einer dialektisch-synergetischen Dynamik. Technik und Material, strukturiert durch die Idee des Künstlers, werden hier einem Spiel offener Beziehungen erschlossen, welche Faktoren berücksichtigen, die das Werk nicht festlegen, sondern als Propädeutik einer Ausweitung der Sprachformen fungieren. Hierzu zählen auch Raum und Betrachter. Letzterer wird, wie das Material, zum Miturheber, aufgerufen, mit dem Werk zu interagieren, sich von der Rolle eines passiven Beschauers zu lösen und durch seine subjektive Deutung jene induktiven Sinnimpulse zu vervollständigen, die dem Werk eingeschrieben sind.

Wie diese Ausstellung greifbar vor Augen führt, befördern Künstler wie Aron Demetz die Diskussion über die Bildhauerei und die künstlerische Wahrnehmung nachhaltig und räumen der plastischen Kunst wieder den ihr gebührenden Platz unter den Disziplinen des künstlerischen Ausdrucks ein. Das skulpturale Werk von Aron Demetz tritt in einen Dialog mit der Vergangenheit – ob antik oder modern – und gleichzeitig mit der Gegenwart. Sie tut dies in einem fortlaufenden Prozess der Ausdrucksformen und Bedeutungen, die je nach den Vorzeichen der Zeugnisse der Geschichte, individueller Mythologien, autonomer Praktiken und kollektiver Erinnerungen, biografischer Instanzen und universeller Dimensionen unterschiedlich sind.“