Alexander Tinei wurde 1967 in Moldawien geboren, und lebt und arbeitet bereits seit vielen Jahren in Budapest. Sein großräumiges Atelier ermöglicht ihm eine Arbeitsweise in sehr großen Formaten, wobei er stets an mehreren Bildern in unterschiedlichen Größen parallel arbeitet. So entstehen Serien, welche thematisch zusammengefasst werden können. Die Galleria Doris Ghetta freut sich außerordentlich, diesem großartigen Maler eine Einzelausstellung in ihren Räumen in Pontives zu widmen. Alexander Tinei realisiert eigens für diese Ausstellung einen komplett neuen Werkzyklus, welcher eine fundamentale Weiterentwicklung zu seinen vorhergehenden Arbeiten darstellt, und doch auf diese inhaltlich und technisch verweist.

Viele der Arbeiten dieser neuen Serie betiteln sich mit „ measuring the roots “. Die dargestellten Personen halten einen Meterstab in der Hand, Wurzeln bestimmen den Bildhintergrund, und definieren den Raum, der die Figuren umgibt. Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten, in denen sich diese Wurzeln wie sichtbare Venen durch die Körper der Protagonisten ziehen, haben sie sich hier nun aus den Körpern befreit, und werden zum raumbestimmenden Element. Auf einer symbolischen Ebene verweisen sie, zusammen mit dem Meterstab, auf die Suche des Künstlers nach seiner eigenen Identität und nach seinen kulturellen Wurzeln. Darüber hinaus steht dieser neue Werkzyklus aber auch für eine Beschäftigung mit den Traditionen und Möglichkeiten des Mediums der Malerei an sich.

Die Arbeiten beinhalten wichtige Elemente, welche das Medium der Malerei betreffen, wie z.B. die Recherche rund um das Thema Portrait, aber auch ein neuer Umgang mit Farbe, Struktur und Oberfläche. Das Portrait ist Alexander Tinei’s große Leidenschaft und eines der Hauptthemen in seinen Werken. Mit diesem klassischen Genre beschäftigt er sich nun bereits seit vielen Jahren, recherchiert und analysiert es in all seinen Facetten, Möglichkeiten und seiner kunsthistorischen Dimension, bis hin zum detaillierten Studium der Portraitmalerei wichtiger klassischer und zeitgenössischer Maler, wie Gerhard Richter, Marlene Dumas, aber auch Modigliani, Velasques, Goya, deren malerische Strategien er immer wieder in seine Bilder mit einfließen lässt. Seit einiger Zeit sind es junge Personen wie Models, Blogger, oder anonyme Portraits aus den Social Medias, die Tinei in seinen Arbeiten darstellt. Diese entstammen einer Welt von Selbstdarstellung, Publicity und Vermarktung, und sind Spiegel unserer aktuellen Zeit, unserer Posen und Repräsentationsmodi.

Wenn die Hintergründe in den Malereien Tinei’s früher realistische Räume und Landschaften darstellten, so ist es nun vielmehr eine abstrakte Welt, welche seine Figuren umgibt. Diese ist geprägt von farbigen Feldern im Kontrast zu schwarz/weißen Flächen. Das Arbeiten mit ausgeprägter Farbigkeit ist neu bei Tinei, und in diesen Werken zu einem relevanten Faktor geworden. Die Farbe hat dabei durchwegs den Charakter eines emotionalen Vehikels, um Freude oder Trauer, Erschrecken oder Ruhe usw. zu vermitteln, ähnlich dem Einsatz von Farbe in den Bildern z.B. eines Edward Munch. Technisch gesehen arbeitet Tinei letzthin ausgiebig mit Klebe-Tape, mit welchem er den Bildern Rhythmus und Struktur verleiht. Dabei geht es in seinen Malereien nun mehr um Struktur, Textur und malerische Möglichkeiten, und der erzählerische Aspekt in tritt den Hintergrund. Die Technik der Collage ist ihm dabei ein wichtiges Hilfsmittel, indem Tinei nicht nur Bildinhalte sampelt und überlagert, sondern auch verschiedene Oberflächenstrukturen, aber auch malerische Techniken im Bild zu einer spannenden und vielfältigen Textur komponiert. Trotz eines komplexen und zeitaufwändigen Entstehungsprozesses von mehreren Monaten, in denen Tinei die Einzelteile des Bildes wie ein Puzzle zusammensetzt, wirken die Arbeiten leicht und frisch, so als wären sie innerhalb eines Tages entstanden. Mit diesem Zyklus begibt sich Tinei auf die Suche nach einer Malerei als vielfältiger und spannender Möglichkeit der Konstruktion und Reflektion von Realität.