Wenn es einen roten Faden im Werk des Düsseldorfer Bildhauers und Konzeptkünstlers Reinhard Mucha gibt, dann seine geduldige und visuell bestechende Auseinandersetzung mit unserer kollektiven Amnesie. Mit hintergründigem Humor erschafft er Skulpturen und Installationen, die Zeit und Geschichte zu speichern scheinen und den Betrachter lange nicht mehr loslassen.

Der Gebrauch von Fußbänkchen, Sockeln, Leuchtstofflampen und Vitrinen durchzieht Muchas gesamtes Werk. Sie sind konkrete Verweise auf die grundsätzlichen architektonischen Grundformen des (musealen) Ausstellungsraums, gleichzeitig untergraben sie die institutionelle Autorität eben dieses Raums, dessen Architektur zum Bestandteil des Werkes wird. Eine Ausstellung stellt sich bei Mucha immer auch selbst aus, eine Beleuchtung beleuchtet oft nur sich selbst. Nicht nur die Institution (Museum) soll hier Kunst zeigen, sondern ebenso die Kunst die Institution.

Oft wird Mucha in die ästhetische Nähe von Joseph Beuys gerückt, nicht zuletzt wegen seiner expliziten, oft antagonistisch zu verstehenden Referenzen bei der Namensgebung seiner Werke oder auch wegen seiner Verwendung von Filz und gefundenen Objekten aus dem deutschen Nachkriegsalltag. Doch diese Parallele führt in die Irre. Muchas Kunst hat nichts mit dem Kunstvoll-Schäbigen von Beuys gemein, sie will auch nichts beschwören. Im Gegenteil. In Sensibilität und Anspruch steht sie eher Minimalismus und Konzeptkunst nahe und Künstlern wie Blinky Palermo, Donald Judd, Frank Stella oder Bruce Nauman. Kaum ein anderer Bildhauer hat den Nullpunkt der Skulptur nach dem Minimalismus so konsequent als konzeptuelles Sprungbrett benutzt. Muchas Skulpturen sind sehr viel mehr als Skulpturen, sie sind melancholische Apparate, in denen Geschichte archiviert wird. Sie sind traurige Maschinen, die sich der weitestgehend zum Scheitern verurteilten Aufgabe stellen, die jüngere Gegenwart vor dem Vergessen zu retten. Sie sind Batterien, die sich mit lebenswirklichen und künstlerischen Energien vollgesaugt haben und diese nur in kleinen Portionen wieder abgeben. Sie sind dezent gesteuerte Inszenierungen des Zeigens und des Verbergens, von Geschichte und Anonymität. Und nicht zuletzt sind sie Werke, die mit einer einzigartigen Präsenz und einer ungewöhnlichen Widerständigkeit in die Welt treten.

Reinhard Mucha (*1950) lebt in Düsseldorf. Institutionelle Einzelausstellungen fanden im Kunstmuseum Basel (2016); ifa - Galerie Friedrichstraße, Berlin (1996); Museum Haus Esters, Krefeld (1990); Kunsthalle Basel (1987); Kunsthalle Bern (1987); Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris (1986); Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (1985); Kabinett für aktuelle Kunst, Bremerhaven (1983) statt. Er hat an der documenta X (1997) und documenta IX (1992) teilgenommen sowie Deutschland auf der 44. Venedig Biennale (1990) repräsentiert. Der Künstler ist mit seinen Werken in verschiedenen Sammlungen wichtiger, internationaler Museen vertreten, u.a. der Art Gallery of Ontario, Toronto; Art Institute of Chicago; Castello di Rivoli, Turin; Dallas Museum of Art; Hamburger Kunsthalle; Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington; Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart; Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld; Kunstmuseum Basel; Kunstmuseum Bonn; Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf; Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris; Museo National Centro de Arte Reina Sofía, Madrid; MoMA, New York; Nationalgalerie, Berlin; SFMOMA, San Francisco; S.M.A.K., Gent; Staatsgalerie, Stuttgart; Städelmuseum, Frankfurt a.M.; Tate Modern, London; The Walker Art Center, Minneapolis.

Zeitgleich zeigt die Berliner Galerie Ausstellungen von Peter Fischli David Weiss und Andrea Robbins / Max Becher.