Seit der umstrittenen Schau Magiciens de la Terre im Centre Pompidou und in der Grande Halle de la Villette in Paris im Jahr 1989 haben die Kuratoren zahlreicher großer Ausstellungen und Biennalen ihre grundlegenden Praktiken zu überdenken begonnen, was unter anderem dazu führte, internationalen, nichteuropäischen Künstlern mehr Platz einzuräumen. Indem sich die geplante Ausstellung Nepal Art Now vor allem der zeitgenössischen Kunst Nepals widmet, lässt sie sich am besten als Fortsetzung dieser Schwerpunktverlagerung verstehen. Die Ausstellung begreift sich als Versuch zur Überbrückung der Kluft zwischen nepalesischen KünstlerInnen und europäischen ZuschauerInnen und misst den Kunstwerken ebenso viel Bedeutung zu wie dem Selbstverständnis der KünstlerInnen im Hinblick auf Fragen des kreativen Schaffensprozesses und der fruchtbaren Spannung zwischen Verwurzeltsein im Lokalen und überregionalen Interessen. Die Ausstellung und die Publikation Nepal Art Now sind das Ergebnis enger Zusammenarbeit mit nepalesischen KünstlerInnen, KuratorInnen sowie dem Nepal Art Council. Nepal Art Now wurde von Dina Bangdel (1963–2017), Swosti Rajbhandari Kayastha und Christian Schicklgruber kuratiert.

Manche nepalesische KünstlerInnen haben Akademien außerhalb ihres Landes besucht, andere wiederum sind weit gereist und haben sich viele neue künstlerische Praktiken aus den verschiedensten Teilen der Welt angeeignet. Daher kann es nicht überraschen, dass sich bestimmte Aspekte der zeitgenössischen Kunst Nepals internationalen Diskursen in diesem Bereich verdanken. Auch wenn die gezeigten Werke in der Kultur und den Traditionen Nepals verankert sind, schildern und behandeln sie allgemeine Anliegen. Mehrere Arbeiten vermitteln insofern ein Gefühl der sozialen Verantwortung, denen ein hohes Maß ästhetischen Empfindens und moralischer Ansprüche eigen ist, während die dargestellten Themen vom Erdbeben des Jahres 2015 bis zu Frauenrechten und Religion reichen.

Hit Man Gurung, Sunil Sigdel, Sanjeev Maharjan, Ang Tsherin Sherpa, Manish Harijan und andere ausgestellte KünstlerInnen vermeiden es, Europa und Nordamerika als Bezugsrahmen zu bemühen. Sie greifen vielmehr auf eine internationale Sprache der Kunst als Mittel zurück, ihre jeweilige kulturelle Identität zu entwickeln, deren Verästelungen in der allmählichen Aufweichung der eurozentrischen Perspektive in der zeitgenössischen Kunst ihren Niederschlag finden.