In den 1990er Jahren be­gann sich in Köln eine neue Kun­st­szene zu for­mieren. Es ent­s­tan­den neue junge Ga­le­rien, Zeitschriften wie Texte zur Kunst und der al­ter­na­tive Ausstel­lungs­raum Frie­sen­wall 120. Alexan­der Schröder ver­fol­gte die­sen Auf­bruch aus Ber­lin. Bere­its als Kun­st­s­tu­dent an der Hoch­schule der Kün­ste Ber­lin grün­dete er mit Thi­lo Wermke eine ei­gene Ga­lerie. Gleichzeitig be­gann er, mit einem be­son­deren Blick, die Kunst der 1990er und 2000er Jahre zu sam­meln.

Heute ver­mit­telt seine Samm­lung die ei­gen­wil­lige und sinn­liche Seite der durch die Konzep­tkunst geprägten Jahre. Sie macht deut­lich, welche Be­deu­tung Kun­st­ge­mein­schaften und Kol­lab­o­ra­tio­nen in wech­sel­n­den Kon­stel­la­tio­nen hat­ten. Nähe und Dis­tanz, Verbindlichkeit und Konkur­renz, Ein- und Aussch­luss trat­en in pro­duk­tive Rei­bung zuei­nan­der. Die Fam­i­lie Schröder schenkt dem Mu­se­um Lud­wig 29, teil­weise raum­greifende Werke aus ihr­er Samm­lung von Kün­stler*in­nen wie Kai Al­thoff, Cosi­ma von Bonin, Tom Burr, Lukas Duwen­hög­ger, Isa Gen­zken und Danh Võ. Die Ausstel­lung Fam­i­lien­bande. Die Schenkung Schröder stellt sie der Öf­fentlichkeit zusam­men mit ein­er Auswahl aus der Samm­lung des Mu­se­um Lud­wig vor. Sie nimmt die Kunst der Wende zum 21. Jahrhun­dert in den Blick und fragt nach ihren be­son­deren Be­din­gun­gen in Köln auch im Ver­hält­nis zu New York.

Di­rek­tor Yil­maz Dziewior: „Es freut mich sehr, dass mit der Schenkung zahl­reiche Werke, die ur­sprünglich ein­mal in en­ger Bezie­hung zu Köln ent­s­tan­den bezie­hungsweise er­st­ma­lig hi­er zu se­hen waren, nun wied­er an ihren Ur­sprung­sort dauer­haft zurück­kehren.“

Um 1995 er­weit­erte sich das Kun­st­feld. Prok­lamierte Kun­strich­tun­gen und Be­we­gun­gen wur­den von Grup­pen­zuge­hörigkeit­en abgelöst. Fam­i­lienähn­liche Struk­turen oder Net­zw­erke bes­timmten die Ar­beitsweisen und damit auch äs­thetische Entschei­dun­gen. Cosi­ma von Bonin stellt in ihren Ar­beit­en Fre­undin­nen und Vor­bilder mit famil­iären Verbin­dun­gen gleich. Kai Al­thoff überset­zt wiederum am­bi­va­lente Grup­pen­dy­namiken in ein­dringliche Werke, welche die Sehn­sucht oder den Zwang ein­er Grup­pen­zuge­hörigkeit the­ma­tisieren. Ko­op­er­a­tio­nen von Kün­stlerin­nen ent­s­tan­den, die weniger werk- als prozes­sori­en­tiert waren.

Zu ih­nen ge­hören An­drea Fras­er, Renée Green, Chris­tian Philipp Müller und Nils Nor­man. Ihre Ar­beitsweisen kon­n­ten sich un­ter­schei­den: Die selb­sterk­lärte Bo­hème, das (tem­poräre) Kollek­tiv und das Net­zw­erk, das sich auf Zeit und auf bes­timmte Fragestel­lun­gen hin mit of­fe­nen Aus­tausch­bezie­hun­gen im­mer wied­er neu bildet, waren drei mögliche Mod­elle. Die Schriften des Sozi­olo­gen Pierre Bour­dieu waren für diese in­sti­tu­tion­skri­tischen Kün­stler*in­nen ein wichtiger Bezugspunkt. Bour­dieu beschreibt das Ver­hält­nis zu Vor­bildern un­ter an­derem als „Strate­gie der Zuge­hörigkeit“. Renée Green spricht lie­ber von Kon­takt­zo­nen. Mit ih­nen en­twirft sie Ge­nealo­gien, die an­ders als die Tra­di­tion auf keine lin­eare His­to­rie und kei­nen Ur­sprung ver­weisen, son­dern Geschichte als ge­gen­wärtig und frag­men­tarisch ver­mit­telt. Ei­nen ähn­lichen An­spruch hat auch Lukas Duwen­hög­ger: die ei­ge­nen Geschicht­en selb­st­gewähl­ter Bezüge ersetzen das bi­ol­o­gis­tische Ver­ständ­nis von Fam­i­lie. Die aufgerufene „Fam­i­lien­ban­de“ ist auf vielfältige Weise in den be­sproch­e­nen Kunst­w­erken der 1990er und frühen 2000er Jahre umge­set­zt. Das Soziale wird zum Kun­st­ma­te­rial.