Hauser & Wirth Zürich freut sich, eine Einzelausstellung des in Osaka geborenen und in Paris lebenden Künstlers Takesada Matsutani zu präsentieren, die unmittelbar im Anschluss auf seine grosse Retrospektive im Centre Georges Pompidou in Paris folgt. Die Ausstellung mit dem Titel ‚Yohaku‘ konzentriert sich auf Matsutanis Erforschungen monochromer Kompositionen aus den 1970er Jahren bis heute. Die Präsentation wird gemeinsam mit Olivier Renaud-Clément organisiert und umfasst wichtige Werke auf Papier, multimediale Gemälde und zuvor noch nie gezeigte Zeichnungen.

Der Titel der Ausstellung verweist auf ein Konzept, das der chinesischen und japanischen Malerei entlehnt ist. ‚Yohaku‘ beschreibt einen Raum, der absichtlich leer gelassen wurde und dazu dient, die bemalten Stellen eines Kunstwerks auszugleichen. Bereits ab dem 10. Jahrhundert verwendeten Landschaftsmaler in China schwarze Tinte, um das ‚Wesen‘ der umgebenden Landschaft einzufangen, wobei manche Stellen unberührt blieben, um Wolken, Nebel, den Himmel und Wasser darzustellen. In Japan setzten die herausragenden Zen-Maler in ihren Gemälden leere Stellen ein, um die Gewichtigkeit des ‚Nichts‘ darzustellen. Einen besonderen Einfluss auf Matsutani hatte der japanische Meister Tōhaku Hasegawa aus dem 16. Jahrhundert, dessen Tintenmalerei von Pinienbäumen zu den bekanntesten Beispielen von ‚Yohaku‘ zählen und dem Künstler eine klare Vorstellung davon vermittelten, was er in seinen eigenen Werken zu erschaffen hoffte.

Von den frühen 1960ern bis zu den 1970er Jahren war Matsutani ein wichtiges Mitglied der ‚zweiten Generation‘ des einflussreichen japanischen Kunstkollektivs der Nachkriegszeit, der Gutai Art Association. Als Teil der Gutai-Gruppe experimentierte Matsutani mit Vinylkleber und benutzte Ventilatoren und seinen Atem, um die Substanz zu beeinflussen und bauchige und sinnliche Formen zu schaffen. 1966 zog Matsutani nach Paris und nachdem sich die Gruppe 1972 aufgelöst hatte, bewegte er sich auf ein radikales, aber einheitliches neues Œuvre zu. Er sagt: ‚Da ich mich der Gruppe fast 10 Jahre, nach ihrer Gründung anschloss, war ich überzeugt, dass ich künstlerisch über Gutai hinausgehen musste, über das, was die Gruppe bereits erreicht hatte.‘

Weil Matsutani in den 1970ern in Paris nur begrenzte Mittel hatte, war er gezwungen, die essenziellen Werkzeuge der Kunstproduktion zu überdenken. Die günstigen Materialien Graphit und Papier ermöglichten es dem Künstler, die elementare und unmittelbare Technik des Schwarz-Weiss-Zeichnens zu entdecken. Matsutani begann grossflächig schwarzen Graphit auf Papierblätter in der Grösse von Wandgemälden aufzutragen, bekannt als seine Stream-Serie. Der Künstler erforschte, welche Oberfläche aus einer Anhäufung sich wiederholender Pinselstriche entstehen kann – eine Praxis, die er über die letzten 40 Jahre fortsetzte. Die ritualisierte Art des Hinterlassens von Spuren ist von performativer Natur und präsentiert somit ein zeitbasiertes Erfassen seiner Gesten (oft verglichen mit der japanischen Tradition des Tagebuchschreibens). Diese Prozesse wurden in eine künstlerische Sprache umgesetzt, die einzigartig ist.

Matsutanis Stream-Werke begannen als kleine Kompositionen, die sich später auf beeindruckende Papierrollen ausdehnten, die manchmal über 10 Meter lang waren und monumentale Installationen bildeten, die 2017 auf der Biennale in Venedig sowie bei Matsutanis ersten Retrospektive in Frankreich im Centre Pompidou, Paris, präsentiert wurden. Das Werk aus dem Centre Pompidou ist erneut bei Hauser & Wirth in Zürich zu sehen. Matsutani schuf durch geduldige, sich wiederholende Bewegungen eine üppige, dunkle Ansammlung von Pinselstrichen auf zwei 10-Meter-Rollen Leinwand. Seine Stream-Arbeiten sind, so der Künstler, wie ein sich bewegender, fliessender Fluss. Die Vorstellung von einem Fluss ist, dass er sich immer ändert, wobei sich jedes Atom in ständiger Bewegung befindet, ohne Anfang und ohne Ende‘. Matsutanis Beziehung zum Zen- Buddhismus zeigt sich in seiner Tätigkeit durch ein Wiederaufleben der japanischen Kultur und die meditativen Prozesse seiner Kunstproduktion offenbaren eine profunde Affinität zu dieser Philosophie. Seine Stream-Serie erforscht insbesondere die Vorstellung, dass die Existenz ein sich bewegender Strom ist – ein permanenter Wandel. Bei anderen Arbeiten aus der Serie verdünnt der Künstler bisweilen den Graphit mit Terpentin, um das weisse Papier oder die weisse Leinwand darunter zu zeigen. Durch den freigelegten weissen Raum haucht ‚Yohaku‘ dem, was der Künstler als eine Nebenbeschäftigung des Lebens betrachtet, neues Leben ein.

Bei seinen Wave-Serien aus den späten 1990ern experimentiert der Künstler weiterhin mit der unmittelbaren Anwendung des Schichtens von Graphit, um in die intrinsischen Materialqualitäten einzutauchen. Viele Werke aus den Waves-Serie sind komplett schwarz, aber in manchen, wie ‚Wave 99-1‘ (1999) und ‚Wave 99- 8-26‘ (1999) verstärken die nicht ausgefüllten Flächen die Präsenz des Graphits und erzeugen ein prekäres Gleichgewicht zwischen Schwarz und Weiss. In einigen von Matsutanis späteren Zeichnungen sind präzise schwarze Graphitlinien und -gitter durch Lichtstriche geteilt, die sich wie Gewitterstürme einen Weg durch die dunklen Stellen bahnen.

Matsutani verstärkt seine monochromatische Bildsprache, indem er Vinylkleber verwendet, um die Leinwand abzudecken, die dann mit Graphitschichten maskiert wird, wodurch die für den Künstler typischen Medien miteinander vereint werden. Zu den späteren, wichtigen Werken in der Ausstellung gehören die Dance-Arbeiten des Künstlers aus dem Jahr 2014. Der Einsatz von Vinylkleber bei diesen Arbeiten geht auf seine frühesten Experimente mit dem Material zu seiner Zeit als Teil der Gutai-Gruppe zurück. In ‚Dance 14-2‘ werden die bauchigen Formen von Matsutani mit Graphit zunächst bedeckt und dann verdünnt, um herumwirbelnde, sinnliche Formen zu erschaffen, die an einen spielerischen Tanz und an Musikalität denken lassen. In Anspielung auf ‚Yohaku‘ in der japanischen Ästhetik kann dieser verwirbelte Schleier aus Bewegung als ein mehrdeutiger Raum betrachtet werden, der hilft, die verbleibenden leeren Stellen auszudrücken, wodurch die Vorstellungskraft des Betrachters geweckt wird. Wie viele von Matsutanis Kompositionen in der Ausstellung, stellen auch diese späteren Werke einen fliessenden Austausch zwischen Hell und Dunkel dar, wodurch die Schönheit des unbearbeiteten, üppigen weissen Raums enthüllt wird.