Zur Berlin Art Week eröffnet KEWENIG Imi Knoebels historische Ausstellung ‚dass die Geschichte zusammenbleibt‘, die erstmalig 1989 in New York gezeigt wurde.

Im Kern der Präsentation steht die sich über mehrere Räume erstreckende Installation ,dass die Geschichte zusammenbleibt - Schattenraum 6 + 3 Bilder‘ (1989). Sie gehört zu einer Werkgruppe von insgesamt sieben ‚Schattenräumen’, die in den Jahren 1988 bis 1989 entstandenen und heute in renommierten institutionellen Sammlungen wie dem Centre Pompidou, Paris, dem MUDAM, Luxemburg, oder der Pinakothek der Moderne, München vertreten sind. 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer widmet sich die Galerie dieser wesentlichen Arbeit Knoebels, deren Titel im Jahr politischer Umwälzungen wie ein Appell mit politischem Impetus klingen mochte, und zeigt sie in Kombination mit anderen bedeutenden Werken des Künstlers.

Fasziniert von Kasimir Malewitschs suprematistischen Manifesten hatte Knoebel seit seinen frühen Studienjahren dessen Auseinandersetzung mit Figur und Grund verfolgt und dieses Prinzip der Malerei ins Räumliche übertragen. Die programmatische Nüchternheit im Werk des Beuys-Schülers wurde vor allem zu Beginn seines Kunstschaffens in der radikalen Minimierung seiner malerischen Mittel und in der Verwendung von industriell gefertigten Hartfaserplatten deutlich. Deren materialeigene Maserung wird in Knoebels oft aus mehreren Platten zusammengesetzen ‚Hartfaserbildern‘ zur Malerei erhoben. Ihr warmer Braunton war lange Zeit neben Schwarz und Weiss die einzige Farbe, die Knoebel in seinen Arbeiten zuliess.

Knoebels ‚Schattenräume’ bestehen aus jeweils einem grossformatigen, geschlossenen Hartfaserkubus, der direkt vor einem ähnlich proportionierten schwarzen Bild positioniert ist. Das Ensemble wird zu einem dreidimensionalen, aus Holz und Hartfaser gezimmerten Bild, in dem Fläche und Raum miteinander in Dialog treten. Von seinen Vorgängern unterscheidet sich ‚Schattenraum 6’ nicht nur durch seinen appellierenden Zusatztitel; Er wird ausserdem begleitet von drei grossen Bildern aus Hartfaser und Acryl (1989), die in der Ausstellung zu anderen ‚Hartfaserbildern’, wie ‚Hartfaserquadrat (Ehre an Kasimir Severinowitsch Malewitsch)‘ aus dem Jahr 1991 überleiten. Vor allem aber durch den Zusatz von zwei geschichtet an der Wand lehnenden Hartfaserplatten erinnert ‚Schattenraum 6‘ an Knoebels variabel konzipiertes Raum-Bild ‚Raum 19‘ (1968), in dem er bereits während seiner Zeit an der Düsseldorfer Kunstakademie die Grundlage für weite Teile seines späteren Schaffens legte. Auch der ‚Keilrahmen’ (1968/1989), ikonisch für Knoebels Suche nach dem gegenstandslosen Bild, entspringt dem Formen-Vokabular seines berühmten Hartfaser-Schlüsselwerks.

Weitere Arbeiten in der Ausstellung aus den Jahren 1968 bis 2004 veranschaulichen die Genese von Knoebels Bildbegriff. Grundlegend für diesen sind Licht-basierte Arbeiten wie „Projektion“ (1968) — die Ausstellung einleitend steht diese Arbeit repräsentativ für die Phase am Beginn von Knoebels künstlerischem Schaffen, in der er im Sinne Malewitschs die grösstmögliche Reduzierung seiner Mittel und die Immaterialität des Kunstwerks anstrebte. Mit dem Licht eines Diaprojektors wird hier einzig und allein eine rechteckige Fläche projiziert. In Bezug zu Knoebels Arbeit mit Licht steht auch ‚Weisse Konstellation’ (1975/87). Vier trapezförmige, weiss bemalte Holztafeln in aufwärtsstrebender Anordnung erinnern an die Formen von durch Sprossenfenster scheinendem Licht auf einer Wand. Weisse Bilder wie dieses haben ihren Ursprung in Knoebels „Innenprojektionen“, in denen Objekte im Raum mit einem Diaprojektor angestrahlt werden und deren hierbei entstehenden verzerrte Flächen er dann fotografierte. Für die vierzigminütige Videoarbeit ‚Projektion X’, 1972 produziert für Gerry Schums Fernsehgalerie, unternahm Knoebel eine nächtliche Autofahrt mit Lichtprojektor durch Darmstadt. Die Häuserwände der Stadt werden hier zum Bildgrund für ein riesiges projiziertes X, das sich im Vorbeifahren stetig wandelt und verformt.

„Figur 17“ (1985) ist als Teil einer Serie, in der Knoebel in Acryl auf Holz verschiedenfarbige Rechtecke auf weissen Grund setzt, ein weiterer Anknüpfungspunkt an Kasimir Malewitschs Auseinandersetzung mit Figur und Grund. Eine Collage aus dem Umfeld der „Messerschnitte“ (1977), in denen Knoebel erstmals Farbe und freie Formen verband, steht nach jahrelangem Verfolgen seiner streng puristischen Linie für einen Umbruch in Knoebels Werk. In „Sandwich“ (2004-10) greift Knoebel auf das Prinzip der Schichtung zurück, das er bereits in ‚Raum 19’ entwickelt hatte. Das Bild besteht aus mehreren Spanplatten, zwischen denen die darauf aufgetragenen Farbschichten für den Betrachter im Verborgenen liegen. Sichtbar ist nur die Maserung des Holzes. Knoebels ‚Schattenräume’ haben in der Literatur bisher kaum Erwähnung gefunden. KEWENIG widmet dieser wichtigen Werkgruppe daher eine Publikation, die anlässlich der Ausstellung erschient.

Imi Knoebel wurde 1940 in Dessau geboren und zog 1950 mit seiner Familie nach Mainz. Heute lebt und arbeitet er in Düsseldorf. Während seiner über 50-jährigen künstlerischen Karriere war Knoebel mehrfacher documenta-Teilnehmer. Sein Werk wurde in mehreren umfassenden Retrospektiven gewürdigt, darunter 1996-97 im Münchner Haus der Kunst, im Stedelijk Museum, Amsterdam, im IVAM Centre del Carme, Valencia, in der Kunsthalle Düsseldorf und im Musée de Grenoble. Weitere Retrospektiven folgten 2006 im Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen und 2014 im Kunstmuseum Wolfsburg. In der Dia Art Foundation (Dia:Beacon), New York, ist seit 2008 das Werk ‚24 Colors - for Blinky‘ installiert. Die Berliner Neue Nationalgalerie zeigte im Jahr 2009 emblematische Installationen des Künstlers. Als Zeichen der deutsch-französischen Versöhnung gestaltete Knoebel 2011 und 2015 verschiedene Buntglasfenster der Kathedrale zu Reims. Weitere wichtige Einzelausstellungen Knoebels fanden 2015 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 2016 im Museum der Bildenden Künste, Leipzig, 2017 im Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal, und 2018 im Museum Haus Konstruktiv, Zürich, statt.