Die große Herbstausstellung 2020 widmet das Bank Austria Kunstforum Wien einem Künstler, der in der österreichischen Hauptstadt bis dato nur selten zu Gast war: Gerhard Richter (geb. 1932 in Dresden), der international als der bedeutendste lebende Maler gilt, wird im Kunstforum eine umfangreiche Retrospektive seiner Landschaftsbilder zeigen. Es handelt sich um die weltweit erste Ausstellung, die dieses Genre umfassend beleuchtet. Neben zahlreichen Ölgemälden werden auch Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotoarbeiten, Künstlerbücher und Objekte ausgestellt, die das Thema „Landschaft“ von den 1960er-Jahren bis heute reflektieren. Dabei werden sowohl bekannte Hauptwerke, als auch Arbeiten präsentiert, die selten oder noch nie öffentlich zu sehen waren.

Die Ausstellung gliedert sich in fünf große thematische Abschnitte und setzt mit jenen Landschaften ein, die Richter auf Basis von eigenen oder gefundenen Fotomotiven produziert hat und deren Ausschnitthaftigkeit, Bildaufbau und Farbigkeit eine dezidiert fotografische Ästhetik aufweisen. Eine „Sehnsucht“ und den „Traum nach klassischer Ordnung und heiler Welt“ drückt Richter in zahlreichen atmosphärischen Landschaftsbildern aus, die an die Kunst Caspar David Friedrichs erinnern. Richter überdenkt die verlorenen Möglichkeiten einer Malerei, wie sie noch in der Romantik praktiziert werden konnte. Er nennt seine Bilder „Kuckuckseier“, da sie als romantisch empfunden werden, aber die geistige Tradition Friedrichs nicht mehr fortsetzen können. Die Landschaft spielt auch in Hinblick auf die Entwicklung von Richters abstrakter Malerei eine Schlüsselrolle: Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden stark abstrahierte Gebirgs-, Park-, Sternen- und Meeresbilder. Diese Werke changieren zwischen abbildhaft dargestellten Landschaften und einer selbstbezüglichen Farbmaterie in breiten, pastosen Pinselstrichen. In den 1970er- und 1990er-Jahren produzierte Richter Landschaftsbilder auch in Form fiktionaler Konstrukte, die in der Realität kaum oder gar nicht existieren können. Meeres-, Berg- und Wolkenbilder wurden motivisch so zusammengesetzt, dass sie aufgrund ihrer Größe oder Konstellation eine Totalität von Natur suggerieren, die jede reale Erfahrung übersteigt. Richter scheint mit diesen visionären Entwürfen der ästhetischen Kategorie des Erhabenen nachzuspüren. Schließlich präsentiert die Ausstellung auch abstrakte Übermalungen: Auf die Oberfläche landschaftlicher Gemälde, Fotografien und Druckgrafiken wurde Ölfarbe in nicht abbildhafter Form aufgetragen. Die beiden simultanen Wirklichkeitsebenen gehen in jenen Werken paradoxerweise eine enge, raffinierte Verbindung ein; sie erscheinen als eine ineinander verzahnte Einheit, deren Spannung aus dem deutlichen Gegensatz der verschiedenen Produktionsformen herrührt. Dadurch ergibt sich eine überraschende Ambivalenz von Realismus und Ungegenständlichkeit, von Schein und Wirklichkeit.

Bedeutende institutionelle Leihgeber, darunter das MoMA New York oder das Art Institute Chicago, unterstützen, neben zahlreichen hochkarätigen Privatsammlungen, das langjährig vorbereitete Ausstellungsprojekt. Die Schau wird an die 150 Arbeiten umfassen und mit großzügiger Hilfe von Gerhard Richter sowie in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich realisiert.