In ihrer zumeist abstrakten Kunst erforscht Isabelle Borges Muster und Strukturen, die sie in der sichtbaren Wirklichkeit vorfindet. Ihr Hauptaugenmerk gilt geometrischen Zwischenräumen, räumlichen Spannungsverhältnissen und der daraus resultierenden Dynamik des Raumes. Borges Abstraktionen erzeugen pulsierende Bildräume, die sich ausdehnen oder kontrahieren und bewegte Raumgewebe evozieren.

Borges Bildauffassung lässt sich auf vielfältige Weise in der Tradition der abstrakten Malerei verorten. Die Neo-Konkreten aus Brasilien übten während ihrer Studienzeit in Rio einen wesentlichen Einfluss auf ihre Arbeit aus. Ebenso wichtig sind für sie Vertreter der Europäischen und der New Yorker Schule der 50-ziger und 60-iger Jahre. Das Dogma der reinen Form und puren Flächigkeit spielt für Borges, wie für viele Künstler ihrer Generation, die geometrisch abstrakt arbeiten, keine Rolle.

Raumillusion und Flächigkeit stehen in ihren Bildern in permanentem Wechselspiel. Ihre Formen sind nicht aus rein bildnerischen Elementen konstruiert. Borges lässt sich gerne von scheinbar chaotischen Strukturen inspirieren, die sie in ihrer städtischen Umwelt, in der Natur oder in Massenmedien vorfindet. Die Spielarten und Varianten von Borges Kunst sind ästhetisch wie auch inhaltlich breit gefächert und schliessen historische Bezugnahmen, Wahrnehmungsexperimente, diskursive Befragungen und rein subjektiv basierte Ansätze ein.

Ihre jüngsten Werkserien basieren grösstenteils auf fotografischen Naturstudien. In ihren Gemälden und Collagen reduziert die Künstlerin den Inhalt ihrer Vorlagen auf ein Minimum, überträgt Linien, Formen, Kompositionsstrukturen und Flächeneinteilungen und transformiert sie so in ein neues Bild. Durch Wechselbeziehungen von Linie und Fläche entstehen so Bildräume, die die fotografischen Vorlagen nicht länger erkennen lassen.

Die Gemälde der Serie “Simulations” sind komplexe Abstraktionen mit ineinander verschlungenen Formen und Konstruktionslinien. Farblich akzentuierte Formen treten klar aus der Fläche hervor und erinnern zuweilen an comichafte Figuren oder futuristische Architektur. Die Volumina dieser Gebilde entstehen aus der vielfältigen Faltung, Schichtung, Überlagerung und Drehung von Flächen. Bildraum entsteht für die Künstlerin so aus der «Faltung bewegter Flächen».

In ihrer Serie «Windows» kreiert die Künstlerin mit wenigen, sich überschneidenden hellen Linien ein Gerüst, das mit fein abgestimmten Tönen in den Grundfarben rot, gelb, blau oder grau klar artikuliert wird. Die unterschiedlich gewölbten Formengebilde scheinen auf dem unbemalten Grund der Leinwand zu schweben und erzeugen eine teleskopische Perspektive, die den Bildraum nach innen zusammensinken und verdichten lässt.

In ihrer raumgreifenden Wandarbeit, die die Künstlerin in direktem Dialog mit dem Ausstellungsraum der Galerie Kogan Amaro konzipierte, will sie die Dynamik von Raum alleine mit Hilfe von Linienkonstruktionen erforschen. Borges untersucht hierbei die Frage, wie sich durch Stärke und Spannung der Linie verschieden aufgeladene Binnen- und Aussenflächen erzeugen lassen.

Die Brasilianische Künstlerin Isabelle Borges, geboren 1966 in Salvador, wohnt und arbeitet seit 1997 in Berlin. In Anschluss an ihr Studium der Sozialwissenschaften in Brasilia studierte sie an den Kunstakademien in Rio de Janeiro und Düsseldorf Kunst. In Europa und Brasilien hatte sie mehrere Einzelausstellungen, u. a. im Brasilianischen Museum für Skulptur MUBE, São Paulo (2013) und im Museum der Republik, Rio de Janeiro (2000). Im Rahmen der 14. internationalen Curitiba Biennale bespielt sie bis März einen grossen Saal im Museum Oscar Niemeyer, Curitiba (2019/2020). Ihre Werke sind in zahlreichen bedeutenden institutionellen und privaten Sammlungen Brasiliens und Deutschlands vertreten.