In der Landeshauptstadt Niedersachsens, Hannover, lebte über Jahrzehnten ein Künstler, dessen Werk in irgendeine Weise unbekannt ist. Gleichzeitig ist er als Zeuge der Geschichte in Vergessenheit geraten; sein Name: Prof. Hermann Scheuernstuhl.

Gewidmet an die Bildhauerei war der Künstler im Nord Baden-Württemberg geboren. Sein leben war gerade wegen des ersten Weltkrieges nicht einfach. Scheuernstuhl lernte Fakten und Geheimnisse der Bildhauerei in seiner Heimatstadt Pforzheim. Aber erst im 1925 wurde er als Direktor der Plastische Kunst der damalige Werkkunstschule Hannover . Das Haus stand zwischen dem heutigen Theodor-Lessing-Platz und Friedrichswall. Der genaue Ort ist unbekannt; das Gebäude wurde im zweiten Weltkrieg, während der Luftangriffe vom 1943, zerstört und später das Gelände neu trassiert und bebaut. Jedoch überquerte höchstwahrscheinlich eine Straße beide Punkte (Leinestraße und Friedrichswall) d.h. die Hochschule lag ungefähr, wo nun das Maritim Hotel steht. Dort startete Bildhauer Scheuernstuhl, gesegnet mit Kunstwillen, eine brillante Karriere.

Die Bildhauerei war damals mit der Architektur verbunden. Sämtliche Gebäude erhielten an der Fassaden ganze Skulpturen, bis hin zu drei Meter hoch, oder auch in viele Fällen sogenannten Reliefs. Bei den Reliefs waren die Größen unterschiedlich, etwa in Durchschnitt zwischen drei Meter lang und ein Meter fünfzig breit. Beide Elemente waren auf verschiedenen Höhen des Gebäudes platziert. Künstler aber auch Kunstgewerbeschulen bewarben sich bei den offenen Ausschreibungen.

Im Jahr 1935, aufgrund des Wiederaufbaus des Maschsee-Nordufers in Hannover und im Rahmen des städtebaulichen Verfahrens, wurde ein staatliches Wettbewerb ausgeschrieben, um ein Denkmal auf einem Sockel aufzulegen. Die zur Erinnerung an den Bau des Sees erwartende Skulptur sollte sich auf einem besonderen Platz befinden. Dafür wurde eine 18,5 m. hohe Säule aus weiß Karrara- Marmor am Nordufer des Sees errichtet. Sie kann man mit der Monumentalität der Säulen des olympischen Berliner Stadiums vergleichen. Im Grunde genommen ist der Stil ganz gleich und da liegt gerade der Zusammenhang, denn die Maschsee Einweihungsfeier fand, wie die Berliner Olympischen Spiele, im Jahr 1936 statt.

Hermann Scheuernstuhl entwarf für diese Ausschreibung sein meist bekanntes Werk, das Generationen mit Kontroversen und falschen Interpretationen versorgt hat. Vermutlich an die römischen Säulen inspiriert, schaffte er in seinem Atelier seinen 4,5 m. hohen Entwurf. Der Künstler, wie zu dem Zeitpunkt alle Bürger, war in der Stimmung des Gastgeberlands Deutschland gefangen und wollte ein Werk erschaffen, das das universelle Geist der Körpererziehung richtig ausdruckt. Der Fackelträger (1936) steht auf der Weltkugel und trägt auf der linken Hand das olympische Feuer. Die Kestner Gesellschaft durch seinen damaligen Vorsitzender Fritz Beindorff stattete das Wettbewerb mit fünfzigtausend Reichsmark aus. Bildhauer Scheuernstuhl bekam den Preis und somit machte er seine Anwesenheit und Relevanz in der Stadt Hannover stärker und untrennbar.

Weiterhin erschuf der Künstler auch andere Skulpturen die sowohl an besondere als auch an unwichtige Plätze und Gebäude in der Umgebung und in ganz Niedersachsen angebracht worden waren. Am Maschseeufer ist auch der Fischreiter (1938) zu bewundern. Im Neuen Rathaus die Büste von Heinrich Tramm (1932) und in der Innenstadt Mann mit Pferd (1957). An der Fassade der Leibnizschule in Hannover Schauspiel und Musik (1955) und der Hautklinik Arzt und Kranker (1957). In all diesen Werken lässt sich die Vielfältigkeit und Perfektion seiner Kunst spüren. Die Stilisierung ist das Hauptcharakter seiner Schöpfung. Seltsamerweise gibt es aber keine Gesamtliste seiner Skulpturen. Durch meine Recherche bin ich aber auf merkwürdige Hintergeschichten und Schlusspunkte gekommen. Ein davon ist zum Beispiel der Brüder-Grimm-Stein in Göttinten. Der Gedenkstein wurde von Scheuernstuhl im Jahr 1959 zum 100. Todestag vom Wilhelm Grimm erschaffen. Das Relief repräsentiert eine Figur der Gebrüder und steht auf einem einfachen Sockel an der Brüder-Grimm-Allee fast am Rande der Stadt Göttingen. Ursprünglich hießt es Märchenstein (1959) und wurde mutmaßlich während des Umbaus der Parkanlage umbenannt.

Ob die Arbeit oder das Schicksal war, blieb Prof. Hermann Scheuernstuhl seit seiner Berufung auf das Lehramt bei der Werkkunstschule bis er starb, in 1982, in Hannover. In seiner letzten Jahren führte er sein Atelier in einem Raum des heutigen Wilhelm Busch Museum weiter. Die einzige Anerkennung, das Große Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens, bekam er im Jahr 1965 für sein Lebenswerk.